
Ron Spielman ist in der Realität angekommen – zumindest rein optisch. Der mächtige Rauschebart im Stil von Produzentenlegende Rick Rubin, den er sich in den vergangenen Jahren wachsen ließ, wallt prächtig auf dem Coverfoto vor sich hin. Ganz im Gegenteil zu den glatt rasierten Momentaufnahmen der letzten beiden Alben. Überhaupt ist alles ein bisschen anders beim neuen Album „Swimming In The Dark“, das am 10. Oktober im Berliner Club Bi Nuu sein Release feiert.
Die vielversprechende Trio-Besetzung mit Edward Maclean (Bass) und Benny Greb (Drums) ist nach dem letzten Album „Electric Tales“ (2012) zerbrochen. Freundschaftlich allerdings, wie Ron Spielman im Interview betont. Die beiden anderen seien für das gemeinsame Projekt schlicht zu beschäftigt gewesen. Greb ist Vater geworden, arbeitet an einem Buch und ist als Schlagzeug-Coach in der Welt unterwegs. Maclean hat ein eigenes Label gegründet und sein erstes eigenes Jazz-Album aufgenommen. Deshalb musste sich Ron Spielman nach neuen Mitstreitern umschauen. Er fand Thomas Stieger (Bass) und Tommy Fischer (Drums), die beide schon bei Konzerten des Ron Spielman Trios ausgeholfen hatten.
Stieger kommt aus Freiburg, war mit dem Rapper Prinz Pi auf Tour, Fischer wohnt in Fulda, verdient sein Geld als Schlagzeuger. An den Instrumenten fanden die drei in Rekordzeit zusammen und spielten das neue Spielman-Album im März diesen Jahres binnen sechs Tagen im Gaibacher Audiolodge-Studio ein. Weitere zwei Monate brauchte Spielman, um die Basic-Tracks mit Effekten, Loops und anderen elektronischen Zutaten zu versehen. Denn auf „Swimming In The Dark“ hat der Ex-Schweinfurter seine Lust am Experimentieren entdeckt.
Spielman hat sich viel Zeit genommen, mit Synthesizern und Computern gespielt, Sounds total verfremdet und auch mal „herumgeschrien“, wie er erzählt. Trotzdem bleibt es ein waschechtes Spielman-Album mit dem typischen Schmelz in der Stimme und der kräftigen Prise Blues. Spielman will mit „Swimming In The Dark“ zwölf kleine Geschichten erzählen und diese musikalisch umsetzen. Gemeinsam mit seinem Texter John C. Barry hat er die Biographien von markanten Persönlichkeiten unter die Lupe genommen, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Die Dresdner Malerin Elfriede Lohse Wächtler etwa, die von ihrem Mann betrogen, später von den Nazis als psychisch labile Person interniert und schließlich vergast wurde. Oder der amerikanische Revolverheld Wild Bill Hickok, der mit einer Dame, zwei Assen und zwei Achten in der Hand starb – ein Blatt, das seitdem Dead Man’s Hand genannt wird.
Spielman singt über den Zulu-König Shaka, das erste schwarz-weiße Paar, dem es gelang, ein Rassendiskriminierungsgesetz aus dem amerikanischen Gesetzbuch streichen zu lassen und das Ende der Fünfziger Jahre heiraten durfte oder über die fanatischen Visionen eines Stalkers über sein Objekt der Begierde: Kate Moss. Einen Song widmet er dem 2013 verstorbenen Freund Karl Götz, der Anfang der Achtziger Jahre Schlagzeuger in der Band „The Body & The Beat“ war.
Live hat sich Spielman Unterstützung in Person von Kgomotso Tsatsi geholt. Die Südafrikanerin singt, spielt Keyboards und bringt die elektronische Vielfalt aus dem Studio auf die Bühne. Ein wahrer Kraftakt war übrigens das beeindruckende Cover-Foto, das einen patschnassen Ron Spielman mit freiem Oberkörper zeigt. Gestalter Werner Goldbach ließ ihn in einem Fotostudio in Karlstadt vier Stunden lang in einem Baby-Planschbecken sitzen und permanent mit Wasser übergießen, bis er zufrieden war. Wer sich selbst vom gelungenen neuen Album von Ron Spielman überzeugen will, der sollte am 19. Oktober zum Gastspiel im Schweinfurter Stattbahnhof kommen. Dort gibt es dann einen zumindest zum Konzertauftakt trockenen Ron Spielman zu sehen.