Petri Heil: Irgendwo da draußen, tief unten, im trüben Wasser, ziehen wohl gerade einige Ungetüme ihre Bahnen. Hecht, Zander und Waller sind die (gar nicht mal so) kleinen Brüder der großen Haie in unseren heimischen Gewässern. Nur einer der Geschuppten schaut vom Ufer des Mühlloch aus zu: 2,8 Meter lang und 116 Pfund schwer war der Waller, den Udo Popp im Jahr 2009 aus dem See des Angelvereins gezogen hat, nach heftigem Kampf. Die „Bildzeitung“ berichtete. Der ausgestopfte Kopf verkündet bis heute den ungewöhnlichen Angelerfolg. Angelockt wurde er unter anderem mit Frolic, also Hundefutter, verrät Popp sein Erfolgsgeheimnis beim Ködern.
Es dreht sich um die Welt von Rute, Rolle, Schnur und Kescher, der Ferienspaß beim Angelsportverein Hirschfeld, eine Premiere. 25 Kinder haben sich am baumgesäumten Ufer versammelt, auf Einladung von Vereinschef Herbert Erhard und Angelika Götz als Ferienspaßbeauftragte der Gemeinde. Nun wird die Angel ausgeworfen, möglichst ohne dass der Haken im Nachbarn landet, und gekurbelt.
Die Idee hatte Sascha Heelein als Jugendwart. Mit der Aktion soll natürlich auch Verstärkung für die derzeit zehn Jungangler des Vereins geködert werden.
Der Weg zum Anglerglück verlangt viel Geduld, Wissen und Geschick, auch bei den Behörden. Unter zehn Jahre dürfen Kinder bereits als Helfer eines echten Anglers antreten, wie an diesem Tag. Ab dem zehnten Lebensjahr darf dann der Jugendfischereischein abgelegt und in Begleitung eines Profis geangelt werden. Ab zwölf wäre dann der Staatliche Fischereischein drin. Wer ihn besitzt, könnte mit 14 dann endlich alleine die Leine auswerfen.
Wels greift Hecht an
Geprüft wird auch das Wissen über das Ökosystem unter Wasser. Entsprechend beginnt der Vormittag am 2,50 Meter tiefen Altmaingewässer mit Theorie. Eine farbige Schautafel zeigt, was hierzulande so alles flösselt, von A wie Aal und Äsche bis Z wie Zander. Nicht alle sind so wehrhaft und revierbewusst wie der sprichwörtliche Hecht im Karpfenteich, bewehrt mit 600 Fang- oder hakenförmigen „Hechelzähnen“.
Aber selbst dieser Räuber herrscht nicht allein über sein Reich: Es wurde schon ein 80 Zentimeter-Hecht gefangen, der selbst angebissen war, von etwas noch Größerem. Da steckt dann ein Wels dahinter, der größte Süßwasserfisch Europas, der zeitlebens wächst und dabei leicht die Zweimeter-Marke überschreitet, ein hungriges Maul mit markanten Barteln. Auch die Brut des „Wallers“ wird verteidigt: Der eine oder andere Schwimmer hat das in diesem Sommer schon schmerzhaft erfahren müssen.
Die wanderfreudigen Aale können sogar kurzzeitig an Land atmen. Barsche, die kleinen Brüder der Zander, sind erkennbar an ihren stacheligen Rückenflossen, die ein bisschen an einen Irokesenschnitt erinnern.
Zu den Friedfischen zählen die gemütlichen Karpfen. Als Graskarpfen weiden sie regelrecht den Seegrund ab. Für jeden Fisch braucht es den passenden Köder: Bei großen Raubfischen sind das meist kleinere Weißfische, die natürlich nicht lebend an den Haken kommen. Auch der klassische Regenwurm kommt zum Einsatz, ebenso wie Mais und Made. Blinker und Kunststoffköder täuschen das hilflos im Wasser zappelnde Beute-Fischlein nur vor.
An diesem Tag beißen die Fische schlecht: Eine Rotfeder und ein kleiner Hecht sind die einzige Ausbeute der beiden Jungangler Kai Kempe und Florian Gehring. Chef Erhard kämpft ebenfalls mit einem Hecht, vergebens.
Drei Fische pro Tag sind erlaubt
„Wir dürfen jeweils drei Fische pro Tag fangen“, sagt der Vorsitzende. „Wenn nix, dann nix.“ Fische seien eben wie Menschen, sagt auch Vereinsmitglied Jens Samfaß: Mal beißen sie an, mal nicht. Und natürlich hat der Angelsport in den Augen mancher Tierschützer einen Haken: Der steckt den Tieren am Ende im Maul und ist vermutlich nicht weniger schmerzhaft als ein Reiher-Schnabel.
Am Mühlloch versucht man schonend zu angeln: Wenn Samfaß die Fische zurücksetzt, behandelt er etwaige Wunden sogar mit Erste Hilfe-Spray, Marke Anaconda, gegen Pilzbefall und Infektionen. „Manche hängen einfach den Haken rein“ – das ist seine Sache nicht. Reines Wettangeln „ohne Verwertungsabsicht“ wäre in Deutschland aber verboten. In Hirschfeld gibt es in April ein Anangeln und im Oktober ein Königsangeln, mit einem Wanderpokal für den schönsten Fisch. Und natürlich genießen echte Angler die Ruhe in der grünen Natur.
Außerdem wird nicht nur abgefischt, sondern auch für Hege und neuen Besatz gesorgt: Karpfen, Barsche, Rotfedern, ein kleiner Wels sowie ein karpfenähnlicher Döbel oder „Dickkopf“ wurden beim Händler eingekauft. Nun warten sie, im Behälter mit sprudelnder Luftzufuhr, darauf, ins kühle Nass entlassen zu werden. Diese (gar nicht so einfache) Aufgabe übernehmen die Jungangler. Die kleinen Weißfische dienen nicht zuletzt als Futter für die Großen im See.
Fürs leibliche Wohl der Landbewohner ist ebenfalls gesorgt, dank Fischmäc für alle. Selbst waidgerecht erlegt haben die Kinder ihr Mittagessen nicht, und die meisten sind deswegen nicht traurig.