Am Dienstag waren in der Region wieder Trickbetrüger übers Telefon zugange. Eine junge Gerolzhöfer Familie war das Ziel eines sogenannten Schockanrufs. Durch ihr besonnenes Verhalten kam es aber nicht zu einer Geldübergabe. Eine ältere Frau aus Schweinfurt allerdings ließ sich zur Übergabe von 20 000 Euro überreden.
Betrüger haben sich bei der Familie in Gerolzhofen telefonisch als Polizisten ausgegeben und behauptet, der Sohn der Familie sei in einen schweren Autounfall verwickelt gewesen. Die Unfallgegnerin, eine dreifache Mutter, sei bei dem Unfall ums Leben gekommen. "Unser Sohn war zu dieser Zeit wirklich mit dem Auto unterwegs", berichtet der Familienvater. "Das Telefonat war für uns der absolute Horror."
Weinende Menschen im Hintergrund
Die falschen Polizisten am Telefon – die Telefonnummer war unterdrückt – hätten einen sehr professionellen Eindruck gemacht, erinnert sich der Gerolzhöfer. Um die Szenerie noch dramatischer zu machen, wurden im Hintergrund sogar die Geräusche von weinenden Menschen eingespielt. "Die 'Polizisten' wollten zunächst einen Datenabgleich machen." Danach wäre es – so lehrt es die Erfahrung mit solchen Trickbetrügern – vermutlich zur Aufforderung gekommen, einen höheren Geldbetrag für einen Abholer bereitzustellen, damit der Sohn wegen des tödlichen Unfalls bei der Polizei eine "Kaution" hinterlegen kann.
Doch dazu kam es nicht. Denn die Familie reagierte trotz des ersten, sehr verständlichen Schocks besonnen. Parallel zum Telefonat mit den angeblichen Polizisten nahm die Tochter der Familie über Handy Kontakt mit ihrem Bruder auf. Der konnte bestätigen, dass nichts passiert ist und dass er auch keinen Unfall hatte. "Somit war klar, dass es sich um ein Betrugstelefonat handelte", berichtet der Familienvater. Das Gespräch wurde beendet. "Unglaublich, mit welchen Methoden, die Betrüger arbeiten!", empört sich der Mann.
Angeblicher Unfall des Enkels
Während der Betrugsversuch bei der Gerolzhöfer Familie durch deren umsichtiges Verhalten scheiterte, verlor eine 82-jährige Frau aus Schweinfurt hingegen ihr Erspartes. Die Seniorin war ebenfalls am Dienstag von einem unbekannten Täter um 13.30 Uhr telefonisch kontaktiert worden, welcher vorgab, der Enkel der Dame zu sein. Die Frau glaubte ihm das. Der Unbekannte behauptete, er habe einen Verkehrsunfall verursacht und benötige nun ganz dringend Bargeld, um eine Kaution hinterlegen zu können. Ansonsten würde man ihn inhaftieren.
Ein weiterer Unbekannter übernahm im Anschluss das Gespräch, gab vor, Polizist zu sein und untermauerte nochmals die Geldforderung. Der Anrufer hielt das Telefongespräch so lange aufrecht, bis gegen 15 Uhr eine bislang unbekannte Frau, die nicht näher beschrieben werden kann, zur Wohnanschrift der Seniorin im Bereich der Kurt-Schuhmacher-Straße kam und an der Haustür eine Tüte mit einer Geldkassette entgegennahm. In der Kassette befanden sich die Ersparnisse der 82-Jährigen: 20 000 Euro.
Komplize in Bereitschaft
Doch warum kommen die Täter beim Enkeltrick- oder Schockanruf immer wieder zum Erfolg? Die Betrüger nehmen sich für ihre Anrufe ein bestimmtes Gebiet vor, erklärt Polizeioberkommissar Andy Lacke von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken. In diesem Gebiet hält sich bereits ein Mittäter in Bereitschaft auf, um – falls ein Betrugsversuch klappen sollte – in möglichst kurzer Zeit an der Wohnung des Opfers erscheinen zu können.
Bei einem Schockanruf klopfen die Täter zu Beginn des Telefonats erst "auf den Busch". Wenn es sich beispielsweise nach der Behauptung, der Sohn der Familie habe eben einen schweren Unfall gehabt, herausstellen sollte, dass es überhaupt keinen Sohn gibt, wird schnell aufgelegt. Trifft es aber zu, dass es einen Sohn gibt und der noch dazu gerade unterwegs ist, dann wittern die geschulten Betrüger ihre Chance. Meist müssen die Täter aber erst etliche Nummern durchtelefonieren, bis sie eine Situation erwischen, die sie bis zum vollendeten Betrug ausbauen können.
Suche nach "altmodischen" Vornamen
Für einen Enkeltrick-Anruf durchforsten die Betrüger das Telefonbuch nach Personen, die einen "altmodischen" Vornamen haben und bei denen die Wahrscheinlichkeit somit recht hoch ist, dass es sich tatsächlich um ältere Leute handelt, die bereits Enkel haben. Oftmals beginne der Anrufer sein Gespräch mit dem Satz "Hallo Oma, ich bin's, dein Enkel." Wenn die Angerufene dann antworte, sie habe überhaupt keinen Enkel, werde das Gespräch sofort beendet, berichtet Lacke.
Wenn die Seniorin aber beispielsweise antworte "Bist du es, Dominik?", dann habe der Anrufer bereits erste Informationen gesammelt und täusche anschließend mit geschickter Gesprächsführung eine angebliche Notsituation von Dominik vor. Am Ende werde dann Geld erbeten, das von einem "guten Bekannten" des angeblichen Enkels abgeholt werden soll.
Telefonat über eineinhalb Stunden
In der Vergangenheit waren mehrmals Geldabholer von der Polizei verhaftet worden, als sie bei den Betrugsopfern vorstellig wurden – und zwar immer dann, wenn die Angerufenen nach dem Telefonat doch misstrauisch geworden waren und bei der Polizei oder beim echten Enkel zurückgerufen hatten. Aber auch darauf haben die Kriminellen inzwischen reagiert. Um zu verhindern, dass das Opfer vor der vereinbarten Geldübergabe noch andere Telefonate führen kann, halten die Täter das Telefonat nun so lange aufrecht, bis der Komplize die Wohnanschrift des Opfers erreicht hat und dort klingelt, sagt der Polizeisprecher. Dies war am Dienstagnachmittag auch in Schweinfurt der Fall. Das Gespräch mit der Seniorin wurde eineinhalb Stunden lang am Laufen gehalten, bis es zur Übergabe der Geldkassette an der Wohnungstür kam.