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GRETTSTADT
Meßmer in Grettstadt: So kommt der Tee in den Beutel
An diesem Rad wird aus losem Tee und Bananenblattpapier ein Teebeutel. Eine Lichtschranke kontrolliert, ob alles nach Plan läuft.
Foto: Martina Müller | An diesem Rad wird aus losem Tee und Bananenblattpapier ein Teebeutel. Eine Lichtschranke kontrolliert, ob alles nach Plan läuft.
Julia Haug
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:50 Uhr

Genau 2,25 Gramm. Soviel steckt in einem Beutel Pfefferminztee. „1 Tassenportion“, steht auf dem grünen Verpackungspapier. Der Tee ist schnell zubereitet: Aufgerissen, Faden entwirrt, Beutel in die Tasse. Mit einem Schwall kochendem Wasser erhebt sich frischer Minzduft. Das Wasser färbt sich rasch braungrün. „Ziehzeit: 6 Minuten“, so die Empfehlung.

Nicht jeder weiß, was sich auf dem Boden der Meßmer-Schachtel zeigt: Der Teebeutel kommt aus dem Landkreis Schweinfurt. Die „4“ hinter dem „L“ in der Prägung benennt den Abfüllort Grettstadt, erklärt Andreas Rippstein. Der 40-Jährige ist Leiter der drei Produktionswerke der Ostfriesischen Tee Gesellschaft (OTG). Neben zwei Standorten in Norddeutschland gibt es das „Kräuterhaus Wild“ in der Grettstädter Meßmerstraße.

17 Millionen Beutel pro Tag

Erst seit einigen Jahren prangt weithin sichtbar das Emblem der bekannten Teemarke an der Fassade. Dabei hatte das Werk bis 1990 offiziell „Meßmer“ geheißen. Mit der Meßmer-Firmenübernahme durch die Ostfriesische Tee Gesellschaft Laurens Spethmann, zu der auch die Marken Milford und Onno Behrends gehören, änderte man den Werksnamen in das neutralere „Kräuterhaus Wild“. Nicht zuletzt wegen der Kräutertradition des auslaufenden Steigerwalds vor der Haustür, sagt Andreas Rippstein. Ansonsten war der Name der Fantasie entsprungen.

Über die Laufbänder rollen Teepackungen aller Sorten und Marken.
| Über die Laufbänder rollen Teepackungen aller Sorten und Marken.

Das Interesse an den Abläufen in der Meßmerstraße ist groß: Monatlich könnte Rippstein Besuchergruppen durch die Werkshallen führen. Anfragen von politischen Ortsgruppen und Schulen gibt es immer wieder, doch der Leiter muss ablehnen. „Das Haupthygieneproblem ist der Mensch.“

Sobald es von den Büros in die Abfüllhalle geht, ist Desinfizieren und Umziehen angesagt. 48 Maschinen gibt es in der großen Halle. Jede von ihnen ist ein Alles-Könner und fertigt bis zu 400 Beutel in der Minute. Rund 17 Millionen Teebeutel kommen pro Tag aus der Grettstädter Produktionsstätte, erklärt Rippstein beim Gang durch die drei Maschinenreihen, die durch Laufbänder auf Hüfthöhe und unter der Decke miteinander verbunden sind.

Ein „Big Pack“ leert sich in rund acht Stunden

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Auf dem Teeboden, dem Stockwerk über den Maschinen, hängen 500 Kilogramm schwere „Big Packs“. Das Rohstoff-Lager ist nur locker befüllt, täglich kommen ein bis zwei Lastwagen mit rund 40 Tonnen in der Meßmerstraße an. Die „Big Packs“ haben oft lange Wege hinter sich. Die Pfefferminze aus dem Beispielteebeutel stammt aus Nordamerika. Über Trichter ist der Megabeutel mit der Maschine im Erdgeschoss direkt darunter verbunden. Der Tee rieselt nur durch Schwerkraft in die Maschine. „Ein Big Pack ist in ungefähr acht Stunden leer“, erklärt Andreas Rippstein. Das entspricht einer Schicht.

Angenehmer Duft strömt durch die Maschinenreihen im Erdgeschoss – von Kamille, über Hagebutte bis zu Grünem Tee. Auch die Pfefferminzteebeutel entstehen hier: An Maschine 31 hantiert eine Angestellte. Sie setzt Faden, Beutelpapier aus Bananenblattstauden und die beschriftete Etikettrolle ein. Vollautomatisch schließt die Maschine das befüllte Papier, rändelt die Naht und faltet den Beutel zum „Doppelkammerteebeutel“, der dem heißen Wasser vier Oberflächenseiten bietet, an denen es Geschmacks- und Geruchsstoffe aus den Teeblättern lösen kann.

Auch Apotheker arbeiten im Kräuterhaus Wild

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Der U-förmig gefaltete Teebeutel wird oben im Dreieck geknickt und geschlossen, ein Faden verbindet ihn mit dem Etikett. Nur der Knoten hält den Faden am Beutel. Die früher gebräuchlichen Tacker-Klammer lässt man heute meist weg. So spart der Konzern jährlich 50 Tonnen Aluminium ein.

Einmal pro Stunde prüft die Angestellte die Packung mit 20 Beuteln auf eine Reihe von Kriterien. Zusätzlich gibt es einen Rotlichtsensor, der die Maschine anhält, sobald etwas außer Plan läuft. An Packstationen am Ende der Halle werden die Packungen für den Einzelhandel in Boxen gepackt. Das Kräuterhaus Wild produziert auch für viele Handelsmarken bei Discountern oder Supermärkten.

Die meisten der Maschinen in Grettstadt sind rund 20 Jahre alt. Ist eine Sorte abgefüllt, rüstet die Maschinenbedienerin die Maschine um: leeren, komplett säubern, so dass jede Art von Tee ohne Rückstände der vorigen Sorte abgefüllt werden kann. Auch die Einzelverpackung der Beutel ist meist Papier. Anders als bei pharmazeutischen Tees, die müssen luftdicht einzelverpackt sein: Sie gelten in Deutschland als Arzneimittel, müssen bei der bayerischen Aufsichtsbehörde zugelassen werden. Auch Apotheker arbeiten deshalb im Kräuterhaus Wild.

Die Grettstädter Produktionsstätte hat sich inzwischen auf solche Arzneitees spezialisiert. „Husten-Bronchial und Magen-Darm gehören zu den beliebtesten“, sagt Rippstein. Anders als in Ländern wie England oder arabischen Staaten werde Tee in Deutschland leicht mit Krankheit verbunden – und auch mit der kalten Jahreszeit. „Wenn's im Herbst diesig wird, merken wir das nach zehn Tagen am Absatz“, sagt Rippstein.

Teebeuteltee sind kleinteiliger als offener Tee

So einfach wie mit Teebeuteln war Tee zubereiten nicht immer. Den Beutel, wie ihn viele Deutsche zum Frühstück verwenden, gibt es seit 1929. Damals erfand ein Teekanne-Mitarbeiter den kurz darauf patentierten Doppelkammerbeutel mit Heftklammerverschluss aus geschmacksneutralem Pergamentpapier. Die ersten platzsparenden Stoffbeutel hab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie gerieten jedoch zwischenzeitlich in Verruf, weil minderwertige Kräuter und Abfallkrümel unter die Füllung gemischt wurden. Bis heute hält sich das Gerücht, Teebeutel enthielten schlechtere Qualität als offener Tee.

Andreas Rippstein leitet die Produktionswerke der Ostfriesischen Tee Gesellschaft.
| Andreas Rippstein leitet die Produktionswerke der Ostfriesischen Tee Gesellschaft.

„Man schmeckt den Unterschied zwischen offenem Tee und Teebeutel nicht“, sagt hingegen Andreas Rippstein. Der eigentliche Unterschied sei nur, dass der Teebeutel die „fertige Portion“ liefere, während offene Tees vor allem von Genießern zur Teezeremonie genutzt würden. Der studierte Betriebswirt selbst ist erst via Job zum Teetrinker geworden. 2013 übernahm er die Werksleitung des Kräuterhauses Wild in Grettstadt.

Wie andere Konsumgüter ist auch der Tee Trends unterworfen: Viele Menschen kauften nach Thema wie „Entspannung“, sagt Andreas Rippstein, andere nach Ländern wie zum Beispiel Indien. Emotionale Aufdrucke locken Teetrinken oft mehr als bloße Zutatenlisten.

Teekunde: Warum Pfefferminztee kein echter Tee ist

Früchtetees und auch Kräutertees wie Pfefferminztee sind streng genommen gar keine Tees: Sie sind nicht aus der Teepflanze Camellia sinensis hergestellt, sondern aus frischen oder getrockneten Pfefferminzblättern oder kleingehäckseltem Obst. Zusammen mit kochendem Wasser ergibt sich trotzdem ein teeähnliches Aufgussgetränk.

Die verschiedenen Teesorten Schwarzer, Weißer, Grüner und Gelber Tee unterscheiden sich nach Herstellungsmethode. Alle stammen von den beiden Ur-Teepflanzen Thea sinensis oder Thea assamica, von denen es inzwischen viele Kreuzungen und folglich unterschiedliche Teesorten gibt. jha

Die vorgestanzten Kartons liegen bereit, um in der Abpackmaschine hinten mit je 20 Teebeuteln befüllt zu werden.
Foto: Martina Müller | Die vorgestanzten Kartons liegen bereit, um in der Abpackmaschine hinten mit je 20 Teebeuteln befüllt zu werden.
„Chaotisches Lagersystem“: Die Sorten sind in der Halle verteilt wie gerade Platz ist.
| „Chaotisches Lagersystem“: Die Sorten sind in der Halle verteilt wie gerade Platz ist.
 
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