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Handthal
Menschliches Leid in den Erdbebengebieten: Malerin Antonia Oberst beschreibt ihre bewegenden Porträtbilder
Antonia Oberst hat im Steigerwaldzentrum sieben von ihr gemalte Porträts von Menschen aus den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei ausgestellt. Die Ausstellung trug den Titel 'Entwurzelt – Wenn Menschen ihre Heimat verlieren'.
Foto: Michael Mößlein | Antonia Oberst hat im Steigerwaldzentrum sieben von ihr gemalte Porträts von Menschen aus den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei ausgestellt.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 03.09.2023 03:48 Uhr

Wenn Bäume ihre Wurzeln verlieren, sterben sie. Auch Menschen leiden, wenn ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn sie ihren Halt im Leben verlieren, wenn sie nichts mehr haben, woran sie sich klammern können. Im übertragenen Sinn sind diese Menschen ebenfalls "entwurzelt". Deshalb hat Antonia Oberst auch diesen Titel für die Ausstellung ihrer Bilder gewählt. Denn die Porträts zeigen Menschen, die ihre Heimat verloren haben.

Am Sonntagnachmittag hat die 20-Jährige aus Oberschwarzach im Steigerwaldzentrum in Handthal ihre sieben dort seit Mitte August ausgestellten Porträts persönlich beschrieben. "Kunst ist für mich das Medium, um das, was mich bewegt, zu transportieren", beschrieb sie ihren Antrieb. Konkreter Anlass, die Bilder zu malen, war für sie das schwere Erdbeben, das vor gut sechs Monaten Teile der Türkei und Syriens getroffen hat. Nach jüngsten Angaben starben in der Folge fast 60.000 Menschen.

Die Künstlerin, für die das Malen Entspannung und Ausgleich zu ihrem Psychologie-Studium ist, meint: Die Zahlen von so vielen Opfern sind für Menschen nicht fassbar und nicht zu begreifen. Erst über das Gespräch mit Menschen, die eine direkte Verbindung zu dem hinter den Zahlen verborgenen Leid haben, öffne sich ein Zugang.

Gespräche mit Geflüchteten im Geo-Treff

Die künstlerisch begabte Studentin, die vergangenes Jahr in Gerolzhofen bereits von ihr gemalte Porträts geflüchteter Ukrainerinnen ausgestellt hat, erlebte diesen Zugang zum Leid ihr zunächst wildfremder Menschen über Gespräche mit Geflüchteten, die Angehörige und Freunde in den Erdbebengebieten haben. Oberst hilft als Ehrenamtliche im Geo-Treff mit, wo sich ein Kreis von Helferinnen und Helfern um Menschen kümmern, die in Gerolzhofen eine sichere Bleibe gefunden haben.

Die Menschen erzählten Oberst vom Schicksal ihrer Familien in den von der Naturkatastrophe verheerten Landstrichen. So beschrieb eine Frau die Geschichte ihres Onkels, der herzkrank war und aus Furcht vor Nachbeben unter freiem Himmel ausharrte. Kurz darauf starb dieser an einem Herzinfarkt, so sehr habe ihm das kaum zu ertragende Leid ringsum zugesetzt. Zuvor habe der Mann noch gesagt, dass die Menschen, die beim Erdbeben starben, wenigstens erlöst seien und nicht unter dessen Folgen leiden müssten.

Gemalt hat Oberst ihre Bilder mit Ölfarbstiften, die auf dem Papier kräftig und sehr direkt wirken. So vermitteln die Porträts gut die in ihnen festgehaltenen Emotionen, mit denen die Porträtierten kämpfen, etwa den Vater, der seine Tochter im Arm hält. Beide haben überlebt, doch ihre Blicke lassen vermuten, dass dies nicht für alle Familienmitglieder gilt. Erschütternd auch das Porträt des Mannes, der ein Stoffbündel trägt – darin wohl der Leichnam eines Kindes. Oder das alte Mütterchen, das in Decken eingehüllt, das Telefon am Ohr, gerade eine schlimme Nachricht erhält. Oder ist es eine erlösende? Die zusammengekniffenen Augen verraten es nicht.

Vorlagen und eigene Interpretation

Die Bilder entstanden auf Basis der Geschichten, die Oberst von Betroffenen gehört hat. "Ich bin diesen Menschen dankbar, dass sie sich mir geöffnet haben", sagte die 20-Jährige. Von manchen Menschen, die sie gemalt hat, hatte sie Vorlagen. Die gewählten Szenen sind jedoch ihre eigene Interpretation des Gehörten, sagt die Künsterin. Es ist ihre Form, wie sie das mitempfundene Leid verarbeitet.

Authentisch sind die Zitate von Menschen, mit denen Oberst gesprochen hat. Sie hängen bei den Bildern. "Das Schlimmste war, die Stimmen der Menschen noch zu hören, aber sie nicht retten zu können", lautet eine Aussage. Oder: "Meine Familie lebt jetzt nicht mehr zusammen an einem Ort. Sie sind im ganzen Land verteilt."

"Wenn Katastrophen über Menschen hereinbrechen, dann stehen sie oft entwurzelt, in ihrer Existenz gefährdet da", stellte Pfarrer Stefan Mai in seiner Ansprache fest. Dieses Leid grabe sich, wie die Bilder zeigten, in Gesichtern von betroffenen Menschen fest. Mai dankte der Künstlerin dafür, dass sie als ehemalige Oberschwarzacher Ministrantin mit ihrer Ausstellung aufmerksam machen und die Not muslimischer Menschen lindern wolle – über Länder- und Religionsgrenzen hinweg.

Wer anderen hilft, ist der beste Mensch

So war auch Samer Al-Zgool, der Vorsitzende des Islamischen Kulturzentrums Bamberg, gekommen. Dem Koran zufolge gehörten Katastrophen zu den Prüfungen, die Gott für Menschen vorgesehen hat. "Sie sind unvermeidlich", sagte Al-Zgoon. Hier beweise sich: Wer Menschen am meisten hilft, ist der beste Mensch.

Was mit den Bildern der am 31. August endenden Ausstellung passiert, ist laut der Künstlerin nicht entschieden. Sie könne sich vorstellen, die Bilder für eine dauerhafte Ausstellung in passender Umgebung abzugeben. "Ich habe mit den Bildern nichts mehr vor."

Die am Sonntag gesammelten Spenden beliefen sich laut Oberst auf 730 Euro. Das Islamische Kulturzentrum Bamberg rundete den Betrag auf 1000 Euro auf. Das Geld wird Oberst an die Erdbebenhilfe der Caritas in Syrien überweisen.

 
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  • Georg Solf
    Eine beeindruckende, sehenswerte Ausstellung. Mein Respekt vor dem sozialen Engagement der jungen Künstlerin.
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