Es ist dunkel im Kino, der Abspann des Filmes läuft, aber keiner rührt sich. Es ist auch dunkel in den Herzen der Zuschauer. Über dem Filmsaal liegt eine Schwere und Betroffenheit, die beinahe mit Händen zu greifen ist. „Am meisten erschüttert mich, dass auf deutschen Boden solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit passieren, wir sollten uns schämen.“ Der Mann spricht aus, was wohl alle empfinden.
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen hatte der Zonta Club Bad Kissingen-Schweinfurt ins KuK eingeladen. Gezeigt wurde der Film „Zeit der Namenlosen“. In 93 Minuten dokumentiert Marion Leonie Pfeifer das lukrativste Geschäft des organisierten Verbrechens, den Menschen- beziehungsweise Frauenhandel. Opfer, Helfer nicht-staatlicher Hilfsorganisationen und Polizei kommen zu Wort; und ans Licht die erschütternde Praxis der sexuellen Ausbeutung von Frauen in der Zwangsprostitution.
„Verschleiß spielt keine Rolle“, denn durch die EU-Osterweiterung sei der Nachschub an Frauen unerschöpflich, belegt die Dokumentation. Sie erzählt die Geschichte von Zwangsprostituierten, die oft in drei Schichten arbeiten müssen, mit einer Stunde Schlaf und kaum Essen. Sie erzählt von Sonderangeboten: „Eine Frau, ein Bier, ein Würstchen für nur 8,90 Euro“. Sie erzählt von zwölf Millionen Männern, die in Deutschland, dem Bordell Europas, wie es im Film heißt, die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen, von denen fast alle Zwangsprostituierte sind. Und sie erzählt von der Machtlosigkeit der Behörden und Polizeidienststellen. „Durch die Legalisierung der Prostitution und die Osterweiterung der EU sind die Frauen legal im Land und wir haben das Pech, nicht mehr an sie heranzukommen“, sagt Karolina Heimgärtner, Polizeioberkommissarin in Schweinfurt. Sie ist eine der drei Gesprächspartner, die Zonta zur Diskussion eingeladen hat.
Die anderen beiden sind Renate Hofmann von Solwodi (Solidarität mit Frauen in Not) und Eberhard Scholl von der Vereinigung „Männer contra Gewalt“. Diana Schmelzer moderierte diese „schwere Kost“.
Scholl blieb an einem Satz aus dem Film hängen. Eines der Opfer fragte: „Haben diese Männer nicht auch eine Mama gehabt?“. Scholl fragte sich: „Was ist passiert, dass Männer so handeln?“ Gegen ein sich ausbreitendes Gefühl fassungsloser Ohnmacht argumentierte Hofmann. Die Politik könnte etwas tun. Deutschland sei bereits von der EU-Kommission gerügt worden, weil Richtlinien zu Opferschutz und Strafverfolgung bei der Bekämpfung des Menschenhandels noch nicht unterschrieben sind. Renate Hofmann wünscht sich, dass in Deutschland gelingt, was die skandinavischen Länder vormachen: „Deutschland soll prostitutionsfrei werden“. Dabei schont sie die Freier, will sie nicht kriminalisieren, denn diese würden einzelnen Prostituierten doch immer wieder einmal helfen, aus ihrer Situation herauszukommen, seien wichtige Zeugen.
Das sah Heimgärtner anders. Jedes Kind werde gemaßregelt, wenn es etwas anstellt. Alkoholflatrates seien verboten, diese menschenverachtenden Flatrates aber würden im Internet offen beworben, monierte die Polizistin. Diese Frauen genössen keinerlei Schutz. Das konnte Hofmann nur bestätigen. Von den Opfern, die sie betreut, weiß sie: „Die Frauen haben keinen Schutz, obwohl sie dem deutschen Staat helfen“. Dabei Täter dingfest zu machen. Bei den betroffenen Frauen handle es sich nicht nur um Osteuropäerinnen. 20 Prozent seien deutscher Nationalität.
„Aber was kann man tun?“, fragten sich die Zuschauer und diskutieren. Es müsse ein größeres Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen werden, der Druck auf die Politik sei zu erhöhen und vor allem müssten die Männer mit ins Boot geholt werden. Für Scholl ist ein erster Weg, Bewusstsein zu schaffen, nach dem Frauenbild zu fragen, wenn jemand einen schlechten Witz erzählt. Das Bewusstsein bei den Männern und Frauen, die diesen Film besuchten, ist jedenfalls schonungslos geweckt worden.