Manche Ideen für eine Ausstellung sind simpel, aber umso wirkungsvoller. Die Petersburger Hängung für 100 Bilder und Objekte, die den Kunst-Kosmos aus sechs Jahrzehnten des Schweinfurter Malers und ehemaligen FH-Kunst-Professors in Krefeld, Peter Wörfel, an der Querwand der Großen Halle der Kunsthalle Schweinfurt abbildet, ist an sich beeindruckend genug. Doch ihren Kick bekommt sie durch die im genau richtigen Sichtabstand gestellten bunten Metall-Stühle, den roten Tisch und vor allem den Kunstrasen.
„Mit Abstand wie im Garten sitzen und die Bilder genießen“, das war das Ziel von Peter Wörfels Frau Christel, anerkannte Künstlerin und Grafikerin, die für dieses beeindruckende Konglomerat verantwortlich zeichnet. Gemeinsam suchte das Ehepaar Wörfel die Bilder aus – beginnend mit dem ersten Wörfel-Bild 1957, bevor er auf die Akademie für Bildende Künste in Nürnberg ging, einer Nachzeichnung von Dürers Bild seiner Mutter. Es ist ein Ritt durch die Gedankenwelt eines Malers von besonderem Format.
Bilder aus der Studienzeit, Bilder von Auslandsreisen und Aufenthalten, in den USA, Frankreich, Finnland, Namibia oder Paraguay, Aquarelle, Acrylbilder, Bleistift- oder Tusche-Zeichnungen, Assemblagen, Stillleben, Metallobjekte – man kann die Wand stundenlang anschauen und würde immer noch etwas Neues entdecken.
Die von Christel Burghard-Wörfel vorgenommene strenge geometrische Ordnung mit klarer Linienführung hilft sehr, „die optische Struktur bringt auch Ordnung in den Kopf“, erklärt sie. Das Konzept für die Wand, für die es vier Tage brauchte, die Bilder zu hängen, entstand in monatelanger Arbeit. Die Bilder wurden mit einem Maßstab fotografiert, Sohn Jan skalierte sie am Computer, so dass man die ganze Wand realitätsnah am PC erstellen konnte. Dem Ehepaar Wörfel und Kuratorin Katharina Christ ist mit der bis 21. Januar zu sehenden Ausstellung die Quadratur des Kunst-Kreises gelungen. Sie ließen der vorhergehenden Ausstellung in der Großen Halle, den Großformaten von Peter Casagrande, etwas Adäquates folgen.
Der Mensch als roter Faden
„Einfach Mensch sein, das ist schon ein guter Titel“, findet Peter Wörfel. „Menschenfreund“ ist eine Beschreibung, die auf den 74 Jahre alten Künstler, den trotz zahlloser längerer Aufenthalte im Ausland vor allem seine Heimatverbundenheit auszeichnet, wohl tatsächlich passt wie die Faust aufs Auge. Das heißt nicht, dass die Wörfels unkritische Geister sind, ganz und gar nicht – sie hinterfragen die Welt und die Entwicklungen um sie herum mit wachem Verstand. Doch dem den Wörfelschen Bildern immanenten Wohlwollen gegenüber seinen Mitmenschen – ob Marktfrau, Postbote oder Künstlerfreund –, seiner freundlichen Art und Zuwendung, seinem ehrlichen Interesse kann man sich kaum entziehen. Er ist ein Maler mit einem besonderen Strich, dessen Bilder dem Betrachter im Kopf herum gehen, weil sie zum Nachdenken anregen, zum immer wieder Anschauen.
Und es gibt so viel zu entdecken im Wörfel'schen Kunstkosmos. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Werken aus 2017. Gerade bei diesen, gleich zu Beginn präsentierten Bildern, steht das Thema „Menschsein“ im Vordergrund. Eines der beeindruckendsten wird quasi in den Weg gestellt – „Menschheit first“, ein ein auf drei Meter großes Bild, in dem mit Pigmentfarbe in Ocker ein Gewusel aus Menschen zu sehen ist. Oder abstrakte Formen? Die Geschichte hinter der Entstehung ist ein klassischer Wörfel: Sein Sohn lernte die Familie kennen, die in der Pfalz das Haus gekauft hat, in dem einst die Großmutter des jetzigen US-Präsidenten Donald Trump lebte und von dort in die USA auswanderte. Auf dem Dachboden fand sich ockerfarbenes Pigmentpulver aus der Zeit, in der die Großmutter gelebt hat.
Wörfel bekam die Farbe und wusste gleich, was daraus entstehen soll – ein Menschenfreund-Bild par excellence, in dem sich das Figürliche und das Informelle zu abstrakter Kunst großer Wirkmächtigkeit vermischen. Das trifft auch auf den Cy-Twombly-haften „Schlachten-Zyklus“ zu oder das intensive „Der Tag meiner Geburt 2. 2. 1943“.
Mit schwarzer Ölkreide lässt Wörfel seine abstrakten Figuren an dem Tag seiner Geburt, der zufällig der Tag der Kapitulation der deutschen Wehrmachtssoldaten in der Schlacht von Stalingrad im Zweiten Weltkrieg ist, zusammenkommen – ein Fest der Imagination.
Es gibt unendlich viel zu entdecken in der Ausstellung. Wie die Blindzeichnungen, in denen Wörfel seiner Fantasie freien Lauf lässt und seine unglaubliche Sicherheit bei der Strichführung beweist; farbenfrohe Erinnerungen an Barcelona, asiatisch angehauchte und dennoch eindeutig wörfelige Bilder mit Tusche auf Reispapier seiner Japan- und Chinareisen mit seiner Frau Christel, die mit jeweils acht von insgesamt 200 Werken an zwei Wänden die Raumhöhe nutzen.
Wörfel hat immer etwas zum Malen dabei, ob er im Zug sitzt oder in der Kneipe. Wenn er Menschen beim Menschsein beobachtet, muss er einfach zeichnen. Und er weiß von jedem Bild, wie die Entstehungsgeschichte war, was er in der Situation erlebte, wieso es ihn inspirierte. Weil es meist wahrlich menschliche Begegnungen waren.
Peter Wörfels Welten – Einfach Mensch sein!, Kunsthalle Schweinfurt, bis 21. Januar 2018. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr; Eintritt 5 Euro, ermäßigt 4. Jeden 1. Donnerstag im Monat freier Eintritt. Infos unter www.kunsthalle-schweinfurt.de; Führungen beim Museumsservice unter Tel. (0 97 21) 51 47 44. Begleitprogramm Donnerstag, 7. Dezember, 14.30 Uhr: Künstlerführung durch die Ausstellung Sonntag, 17. Dezember, 14.30 Uhr: Lesung mit weihnachtlichen Gedichten von und mit Peter Wörfel Donnerstag, 4. Januar 2018, 18 Uhr: Künstlerführung durch die Ausstellung Dienstag, 16. Januar 2018, 15-17 Uhr: Kunstgeplauder mit Peter Wörfel
ONLINE-TIPP
Viele Bilder von der Vernissage unter www.mainpost.de