
"Um 13 Uhr ist die Vorlesung zu Ende – dann kommen alle auf einmal", warnt mich die Küchenchefin. Hunderte Studenten und Mitarbeiter der Fachhochschule in Schweinfurt wollen dann nur eines: Mittagessen. Damit die Gerichte heiß auf die Teller kommen, muss das Küchenpersonal eng zusammenarbeiten. Für einen Tag tausche ich die Tastatur gegen die Friteuse und arbeite als Küchenhilfe in der Mensa. Essen kochen, Teller anrichten, Reste vom Geschirr schaben.
Wer beruflich mit Lebensmitteln in Kontakt kommt, muss vorher an einer Hygienebelehrung des Gesundheitsamts teilnehmen. Dort erklärte man mir, dass sich Krankheitserreger auf Milch, Eiern und rohem Fleisch besonders leicht vermehren. In einem Video erfahre ich, wie man sich richtig die Hände wäscht. Anschließend unterschreibe ich, dass ich meinen Dienst in der Kantine nicht antreten werde, wenn ich an plötzlichem Durchfall, Typhus oder Cholera erkrankt sein sollte. Da nichts davon zutrifft, stehe ich um sieben Uhr in der Großküche der Fachhochschule Schweinfurt, die Karina Sauer seit drei Jahren leitet. Neun Frauen des Studentenwerks sorgen dafür, dass Studenten nicht hungrig im Hörsaal sitzen müssen.

Zuerst darf ich Rinderschmorbraten mit Rotweinsoße für den nächsten Tag ansetzen, damit er gut durchzieht. Der Wein kommt aus dem Tetrapack, für die Brühe werden frischer Lauch, Karotten und Zwiebeln angebraten. Wie der Begriff "Großküche" schon erahnen lässt, sind dort alle Geräte und Kochutensilien etwas größer, als in der heimischen Küche. 20 Kilogramm Rinderbraten werden nicht in einem Topf geschmort, sondern im sogenannten Kipper. Das Gerät fasst den Inhalt einer Badewanne. Ist der Braten fertig, neigt sich das Gerät per Knopfdruck und die Soße kann abgefüllt werden.
Was ausländische Studenten im Speisesaal lernen
Currywurst, Schnitzel und Hamburger sind die beliebtesten Mahlzeiten in der Kantine. "Und alles, was mit Käse überbacken ist", sagt Sauer. Rund ein Drittel der Studenten in Schweinfurt kommt aus dem Ausland. Das spiegelt sich auch in den Essgewohnheiten wieder. "Vor allem Inder würzen alles nach – ohne vorher überhaupt probiert zu haben", sagt Carmen Appelmann. Die stellvertretende Küchenleiterin erzählt, dass manche ausländische Studenten nicht nur in der Vorlesung etwas lernen, sondern auch im Speisesaal. So habe ein ausländischer Student kürzlich Kroketten geschält, weil er nicht wusste, wie er die frittierte Kartoffelmasse essen soll. Ein anderer sei wie selbstverständlich an der Kasse vorbeigegangen ohne zu bezahlen, weil er dachte, das Mittagessen sei in den Studiengebühren inklusive.
Der Vormittag verläuft ruhig. Nudeln abkochen, Kühlraum nachfüllen, Pizza belegen. Keine Hektik, kein militärischer Tonfall der Küchenchefin. Auch an der Essensausgabe lassen sich die Frauen nicht aus der Ruhe bringen. Alle Abläufe sind hundertfach erprobt, alle Handgriffe tausendmal getätigt.
Hackfleischauflauf, Chicken Nuggets, Fleischbällchen mit Bandnudeln und Mandel-Brokkoli sowie bunte Nudeln mit Hirtenkäse stehen an diesem Tag auf der Speisekarte. Ich schneide noch den Auflauf in möglichst gleichgroße Quadrate, als die ersten Mitarbeiter der Hochschule an der Essensausgabe anstehen. Kurz darauf folgen die Studenten. Für eine halbe Stunde werden in der Küche die Bewegungen hastiger, die Gerüche intensiver und die Sätze knapper. Hinten piept der Pizzaofen, vorne braucht eine Kollegin Nachschub und ruft: "Pommes, bitte!"

Zusammen mit zwei Kolleginnen richte ich an diesem Tag rund 450 Essen an. Die Kunst besteht darin, immer genügend Teller vorbereitet zu haben, damit die Gäste nicht lange warten müssen. Das Dilemma: Richtet man zu viele Essen an, werden sie kalt. Einen großen Schöpfer Pommes und exakt neun Chicken Nuggets. Wer im industriellen Maßstab kocht, muss auf die Kalkulation besonderen Wert legen. Einen großen Schöpfer Nudeln und exakt fünf Fleischbällchen. Schnell bekomme ich ein Gefühl dafür, wie man die richtige Anzahl davon auf Anhieb auf die Kelle bekommt. Das spart Zeit.
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Dann mache ich einen Fehler, dessen Ausmaß mir nicht sofort klar war: Aus Versehen kleckere ich ein paar Tropfen von der Jägersoße in die Barbecue-Soße. Mehrere Kellen der Grillsoße müssen weggeworfen werden. Nicht weil sich der Geschmack wesentlich verschlechtert hätte, sondern weil Allergiker die Mischung nicht vertragen könnten.
Wer meint, dass das Essen morgens gekocht und dann bis zur Mittagspause warmgehalten wird, der irrt. Die meisten Gerichte bereiten die Frauen in der Küche permanent frisch zu. Insgesamt hält das Kühllager deutlich mehr frische Zutaten bereit, als ich vermutet hätte. Bei den Desserts greifen die Köchinnen jedoch auf Pulver zurück.
Eine Typologie der Mensabesucher
Die meisten Studenten machen auf mich einen unkomplizierten Eindruck. Doch nach einem Tag Arbeitserfahrung hinter der Theke lassen sich drei Typen von Mensabesuchern charakterisieren:
- Die Anständigen: Sie begrüßen das Personal und bedanken sich, wenn man ihnen einen "Guten Appetit" wünscht. Haben sie Sonderwünsche, fragen sie höflich danach.
- Die Unscheinbaren: Sie nehmen sich einen Teller von der Theke und schleichen wortlos zur Kasse. Leicht zu erkennen ist die Gattung an den Kopfhörern im Ohr.
- Der Nörgler: "Warum sind in der Erbsensuppe keine ganzen Erbsen?"
Auf einem Fließband laufen die Tabletts mit schmutzigem Geschirr vom Speisesaal in die Spülküche. Dort muss ich Essensreste von den Tellern schaben und das Geschirr in die überdimensionale Spülmaschine stellen. "Für den Job müsste man eigentlich acht Arme haben", sagt Sauer. Ich habe nur zwei und muss nach wenigen Minuten eine routinierte Kollegin übernehmen lassen, weil sonst "Staugefahr" bestehen würde. Mein einziger Trost: Die Chefin gesteht, dass sie selbst auch nicht schnell genug für diese Aufgabe ist.

Auf der anderen Seite des Geschirrspülers kommen die Teller sauber heraus. Doch der Arbeitsplatz gleicht einem Dampfbad. Feuchtwarme Luft strömt mir bei jedem Griff in die Maschine entgegen. Eine Durchreiche verbindet den engen Raum mit dem Speisesaal. Eigentlich dürfen die Frauen diese Luke nicht offen stehen lassen, weil sonst Lärm aus der Küche zu den Studenten dringt – doch anders sei es kaum auszuhalten. "Und heute ist draußen noch ein kühler Tag", sagt meine Kollegin schmunzelnd, als sie sieht, wie ich vor einer Dampfwolke zurückweiche.
Gegen 15 Uhr stehen die sauberen Tabletts wieder im Geschirrwagen. Mein Arbeitstag ist zu Ende und die Chefin bieten mir einen Vertrag an. Ich lehne ab. Vielleicht stehe aber auch ich bald um 13 Uhr in der Schlange und frage, ob der Salat handgemacht ist. Aber wahrscheinlich lassen sich die Frauen hinter der Theke nicht einmal davon aus der Ruhe bringen.