In den drei Wochen Vesperkirche habe ich als Reporter mit zahlreichen Menschen in der St. Johanniskirche gesprochen. Etliche der 250 (!) Ehrenamtlichen haben auf die Frage, warum sie für das Projekt so viel Zeit investieren, gesagt, dass es genug Neid, Missgunst und Egoismus gibt auf der Welt. Diese Möglichkeit der Begegnung von Christen und weniger Gläubigen, von alt und jung, von Menschen aller gesellschaftlichen Schichten, das wolle man unterstützen. Manche nahmen sogar extra Urlaub. Einige Helfer machten aber auch keinen Hehl, dass sie selbst ein wenig einsam sind. „Ich habe doch Zeit“, „daheim sitze ich viel rum“.
Auch nahezu alle angesprochenen Gäste standen Rede und Antwort. Viele darunter, die sichtbar nicht auf Rosen gebettet sind. Sie äußerten sich zwar oft ohne ihren Namen zu nennen, aber das war egal: „Ich kann mir nicht täglich eine warme Mahlzeit leisten“, „leben Sie mal von knapp über 300 Euro“, „meine Rente ist nicht üppig“. Solche Antworten gab es zuhauf und sie zeigten: Es gibt Armut in dieser Stadt.
An den Tischen, in der Cafeteria, in den Kirchenbänken, da begegneten sie sich: Die Frau mit dem Pelzmantel und der Mann, der im Gegensatz zu ihrem Wohlstand Wohlfahrt nötig hat. Aber auch die Witwe hatte Zuhörer; die allein stehende Seniorin kam jeden Tag, weil sie endlich mal wieder in netter Gesellschaft essen konnte; und der am Monatsende blanke Sozialhilfeempfänger konnte den Hirschbraten nur genießen, weil ihn ein anderer eingeladen hatte.
Viele haben in den drei Wochen „ein Stück Leben gefunden“, sagte Dekan Oliver Bruckmann am Sonntag zum Abschluss ganz richtig. Und das alles fand auf Augenhöhe statt. Insofern sind die wenigen kritischen Stimmen, die ein Mittagessen im Gotteshaus strikt ablehnen, die die Umsatzverluste in ihrer Gaststätte beklagen und sogar die Berichterstattung für übertrieben halten, leicht verkraftbar.
Ich jedenfalls freue mich schon auf die Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und ein solches Miteinander bei der Vesperkirche 2016.