Volksfest macht Spaß, vor allem wenn Gegrilltes deftig duftend auf den Teller kommt, wenn frisch Gezapftes kühlt und keine Musik die Unterhaltung mit dem Gegenüber stört.
Und mir gegenüber saß damals oft der Tim.
Seinen richtigen Namen habe ich nach drei Jahrzehnten längst vergessen, deshalb nenne ich den fast Zwei-Meter- und mindestens Zwei-Zentner-Mann Tim. Tim war damals Fahrer beim Verlag. Weil Zeitungen jedoch nun einmal nachts ausgefahren werden, verwunderte es, dass Tim allabendlich auf dem Volksfest saß und sich feste wie flüssige Nahrung schmecken ließ.
Es war halt noch eine gute, alte Zeit in der noch ein gestandener Oberbürgermeister regierte, keine Frau und auch kein Schulbub, in der das Brauhaus noch braute, das Bier bernsteinfarben und süffig war, die Polizei noch nicht allüberall kontrollierte und die Blechpatscher nach dem Fest Umsatz machten.
Die Mädels trugen sittsame Jeans und keine Lederhosen, die Burschen waren nicht schneidig, sondern langhaarig. Es war halt noch vieles in Ordnung damals. Und für Ordnung sorgte auch Tim, verriet mir Tim. Tim nahm stets zur Volksfestzeit Urlaub, verzehrte Hendel und Haxen, stärkte sich mit 15 Prozent Stammwürze und verdaute mit Geist und Schnäpsen. Und weil die Zeit damals doch nicht mehr ganz so heil war wie vor anno 1914 und man sich selbst auf Volksfesten nicht mehr nach Belieben prügeln durfte, tat Tim für den Verlag ein gutes Werk.
Er kassierte die Schausteller ab, die schon damals gerne warben, aber beim Zahlen eine mitunter große Zurückhaltung an den Tag legten. Wenn Tim mit Nachdruck bat, wurden die Anzeigen dann doch bei der vierten bis siebten Nachfrage beglichen, was dann bei Schmaus und Trank gebührend gefeiert wurde. Und das Leben ging weiter, auch in der guten, alten Zeit – und auf die Guillotin' hat der Tim eh niemanden geschickt...