Künftig gibt es ein paar Beilagen mehr zu Schnitzel oder Sauerbraten: allerdings nicht kulinarischer, sondern bürokratischer Art. Seit Dezember 2014 gilt für Gaststätten, Caterer und Restaurants eine gesetzliche Allergen-Kennzeichnungspflicht im Zuge der Umsetzung der „Lebensmittel-Informations-Verordnung (LMIV)“ der EU.
Bislang mussten nur Zusätze (wie Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker oder Koffein) auf den Getränke- oder Speisekarten verzeichnet werden. Nun gesellen sich 14 Zutaten und Stoffe dazu, die bei einer wachsenden Zahl von Menschen Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können: seien es nun Nüsse, glutenhaltiges Getreide, Milch, Soja, Sesamsamen, Schwefeldioxid oder Sulfide, wie sie zum Beispiel im Wein enthalten sein können.
„Gluten“ (letztlich also alle Mehlprodukte) und „Schalenfrüchte“ werden dabei noch einmal gesondert nach Herkunft aufgeschlüsselt. Dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (BHG), ohnehin durch den Mindestlohn aufgeschreckt, schlug es es da als Erstem auf den Magen.
Die Spitze der Kreisstelle Schweinfurt beriet sich im Zellertal, dem Gasthaus des Vorsitzenden Edmund Beck. „Wenn, dann müssten alle gleich behandelt werden“, fordert Beck. Falls bei einer Privatfeier im Sport- oder Vereinsheim aufgetischt werde, gelte diese Allergen-Kennzeichnungspflicht nicht: eine Ungleichbehandlung, findet der Gastwirt, in Stadt und Landkreis zuständig für mehr als hundert Mitglieder. „Du musst die Inhaltsliste theoretisch auswendig können“, meint Schriftführerin Sabine Böhm vom Traditionswirtshaus „Äs Madenhäusle“ in Madenhausen. Und wer könne in einer Küche bei der Zubereitung schon „Verunreinigungen“ durch andere Lebensmittel ausschließen? „Es gaukelt eine falsche Sicherheit vor“, sagt Beck.
Wenn bei einer Familienfeier die Kunden ihre eigenen Kuchen oder Torten mitbringen würden, müsste der Hausherr eigentlich nach dem genauen Rezept fragen. Bei rigoroser Anwendung würden Gäste womöglich abwandern. Für die Interessensvertreter der Kreisgastronomie ist das neue EU-Recht eher ein Fall von Überregulierung.
Es sei ja klar, dass Leute es von sich aus mitteilen würden, wenn sie ein Problem mit einem Lebensmittel hätten, meint Beck: „Die sind ja nicht lebensmüde.“ Man könne als Allergiker jederzeit mit dem Koch reden, und bei unbekannten Allergien helfe sowieso keine Aufschlüsselung der Zutaten. Tatsächlich ist für jedes Gericht, auch Beilagen und Getränke, ein eigenes Formblatt vorgesehen, das akribisch auflistet, was so alles drin ist. Sei es nun zum Beispiel „Amygdalus communis L.“, „Juglans regia“, „Anacardium occidentale“, „Bertholletia excelsia“, „Corylus avellana“ oder daraus gewonnene Erzeugnisse. Klingt hochgiftig, meint in diesem Fall aber Mandeln, Wal-, Kaschu-, Para- und Haselnüsse. Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen, in Form von Bußgeldern, sind zwar noch nicht vorgesehen. Im Prinzip geraten die Gastwirte aber haftungsrechtlich in die Bredouille, sollte ihnen wirklich ein unaufgeklärter Gast kollabieren.
Die Dehoga Bayern, als Dachverband der Hoteliers und Gastwirte im Freistaat, gibt ihren Mitgliedern Vorschläge zum Umgang mit der Verordnung: Entweder man verzeichnet auf der allgemeinen Speisekarte, was der Schweizer Wurstsalat so alles an Risiken birgt (zum Beispiel Erdnüsse, Kuhmilch, Sellerie und Senf, womöglich mit Weizenbrot). Die Dokumentation wäre auch über Fußnoten möglich, aber weniger praktikabel. Oder man hält eine separate Allergiker-Karte, eine Art Kladde oder einen eigenen Ordner bereit: Letzteres wird empfohlen, da der Anbieter damit schnell auf Veränderungen reagieren kann. Die Gäste müssen dann aber extra, per Aushang, darauf hingewiesen werden. Ein mündliches Gespräch mit dem Gast ist möglich, wenn der Mitarbeiter selbst „hinreichend unterrichtet“ ist.
„Wir sind uns bewusst, dass diese Allergeninformationen sie vor eine große Herausforderung stellen wird und mit einem großen bürokratischen Aufwand verbunden sind“, heißt es im Dehoga-Schreiben. Das zuständige Staatsministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz werde erst noch Praxis-Erfahrungen sammeln. In Schweinfurt setzt der BHG vor allem auf den kurzen Dienstweg: Ein persönliches, vertrauensvolles Gespräch des Kunden mit seinem Gastwirt und/oder Koch.