„Syvä iskumme on, viha voittamaton, meil' armoa ei kotimaata.“ Der Auftakt des „Jääkärimarssi“, des „Marsch der finnischen Jäger“, mit recht martialischem Inhalt klingt für deutsche Ohren ungefähr so vertraut wie Elbisch. Nicht zufällig hat Tolkien, der Schöpfer des „Herr der Ringe“, das eigenwillige Finnisch als Vorlage für seine Elbensprache genommen.
Das kleine Finnland, das vor 100 Jahren in den Wirren der Oktoberrevolution seine Unabhängigkeit von Russland errungen hat, spricht ein melodisches Kauderwelsch, aber mit lyrischen Qualitäten.
„Eine Tasche voller Bücher“, nennt sich die deutschlandweite Aktion, mit der die Deutsch-Finnische Gesellschaft (DFG) den Reichtum finnischer Literatur näher bringen will. Im Landkreis Scheinfurt wurden die Büchereien Geldersheim und Niederwerrn bedacht.
Der Jägermarsch wird jedes Jahr am 6. Dezember, dem Unabhängigkeitstag, gespielt. DFG-Vorsitzender Gerd Müller erinnerte vor der Bücherübergabe in der Schweinfurter Buchhandlung Vogel denn auch an das „Lockstedter Lager“. In Schleswig-Holstein waren im Ersten Weltkrieg Freiwillige für die künftigen finnischen Streitkräfte ausgebildet worden, im Kampf gegen das Zarenreich. Es folgten Undercover-Einsätze im bereits autonomen Großfürstentum Finnland. Noch heute wird in Hohenlockstedt den gemeinsamen, wenn auch überwiegend militärischen Anfängen eines freien und dann stets republikanischen „Suomi“ gedacht. Schon damals war die Sprachbarriere ein Problem. Die literarischen Werke, die Gerd Müller nun an die Bürgermeister Oliver Brust und Bettina Bärmann übergab, sind zum Glück bereits übersetzt.
„Finnland ist ein Land der Kaffeetrinker, aber auch der Krimiautoren“, stellte Müller fest: Leena Lehtolainen und Taavi Soininvaara steuern spannende und gruselige Literatur bei, auch Autorinnen wie Sofi Oksanen und Katja Kettu sind hierzulande bekannt. Dazu kommen Kinderbuchfiguren wie die Mumins, Tatu und Patu. Die Ella-Bücher von Timo Parvelas wurden hierzulande mit 600 000 Exemplaren verkauft. Die Finnen gelten laut DFG-Mitteilung als eines der lesefreudigsten Völker überhaupt, was man am guten Abschneiden bei der PISA-Studie gemerkt habe.
„Mir war gar nicht bewusst, dass Finnland so jung ist“, sagte Niederwerrns Rathauschefin Bärmann, „normalerweise denkt man in Skandinavien ja an Monarchien.“ Auch Oliver Brust freute sich über die Spende an die Gadenbücherei.
Literatur gehört zum Nationalbewusstsein der Finnen einfach dazu, nicht nur das an Tolkien erinnernde Epos „Kalevala“. Jahrhundertelang war das „Land der tausend Seen“ Teil des Königreichs Schweden. In Schweinfurt rückten die finnischen „Hakkapeliten“, die „Haudraufs“, im Gefolge von Gustav Adolf ein, während des Dreißigjährigen Kriegs. Die aus dem hohen Norden hereingeschneite Reitertruppe soll an der verbündeten Reichsstadt besonders den Frankenwein geschätzt haben.
Der Name „Hakkapeliitta“ hat sich jedenfalls im ersten Pkw-Winterreifen der Welt erhalten: 1936 wurde der schneefeste Pneu von einer Firma aus der Stadt Nokia erfunden, die auch den gleichnamigen Handykonzern hervorgebracht hat. Von Anfang an zwischen Schweden und Russland umstritten, kam das strategisch bedeutsame Finnland 1809 an die Herrscher im nahen St. Petersburg. Bis zur Unabhängigkeit, die erst nach blutigen Bürgerkriegswirren zwischen „Weißen“ und „Roten“ anerkannt wurde.
Im Zweiten Weltkrieg hatten die Finnen eine merkwürdige Sonderrolle: Einerseits kämpften sie als Republik mit Nazideutschland gegen die Sowjetunion. Der war andererseits im Hitler-Stalin-Pakt die Eroberung des kleinen Nachbarn zugestanden worden, nach deren Scheitern Hitler selbst zum Angriff auf Stalins Reich überging. Staatschef Mannerheim schloss 1944 einen Waffenstillstand mit den Sowjets und trieb die deutschen Truppen aus dem Land.
Die Wehrmacht hinterließ wiederum in Lappland „verbrannte Erde“. Rovaniemi am Polarkreis, heute offizielles „Werkstattdorf des Weihnachtsmanns“, wurde dabei völlig zerstört. Die finnische Unabhängigkeit blieb am Ende gewahrt.
Im Nokia-Zeitalter ist das Verhältnis eindeutig freundschaftlich, Schweinfurt unterhält seit 1979 eine Städtepartnerschaft mit Seinajöki.