Sieben Kerle demonstrieren Männer-Rituale zwischen Unsicherheit, kumpelhaften Gesten, Imponiergehabe, Rivalität, Dominanzstreben und Aggressivität. Angepeitscht werden die Tänzer von dröhnenden metallischen Schlägen und anschwellenden Tönen in einer schmerzenden Lautstärke. Eben noch eine Schulter klopfende Gruppe, treibt es die Männer auf eine hektische Suche: Paare treffen sich, nähern sich fast zärtlich einander, um im nächsten Moment aufeinander loszugehen.
Die jungen Tänzer der Gauthier Dance Company – zum ersten Mal im Schweinfurter Theater – geben dieser Vorgabe des Choreografen Hofesh Shechter mit dem Titel "Uprising" (Aufstand) mit Power, Dynamik, hohem Tempo, expressivem körperlichen Einsatz und tänzerischem Feuer eine bedrohliche Atmosphäre. Aus einer Zweierbegegnung wird schnell ein Kampf, explosionsartige Schläge signalisieren Gefahr. Die Männer kämpfen, stolpern, fallen um, liegen zitternd am Boden. Das Schlussbild einer einträchtigen Gruppe nach Delacroix' berühmtem Revolutionsgemälde kann nur ein frommer Wunsch sein.
So beginnt das zweitägige Gastspiel "Mega Israel" der Gauthier Dance Company. Dem 42-jährigen kanadischen Tänzer und Musiker Eric Gauthier ist eine außergewöhnliche künstlerische Entwicklung gelungen: Vom ehemaligen Publikumsliebling und Solotänzer des Stuttgarter Balletts zum international gefragten Choreografen und zum künstlerischen Leiter sein er eigenen Truppe. Mit "Mega Israel" stellt Gauthier die drei bekanntesten Choreografen Israels mit je einem ihrer Werke vor.
Die Lautstärke: unbarmherzig
Auch die zweite Choreografie "Killer Pig" von Sharon Eyal arbeitet mit unbarmherziger Lautstärke: Mit einem elektronisch verstärkten Trommelgewitter und ebenso lauten, sich ständig wiederholenden Bass-Folgen. Doch die Theaterleitung hat vorgesorgt: Auf Hinweisschildern im Foyer macht sie auf einen teilweise sehr lauten Abend aufmerksam und empfiehlt gehörempfindlichen Besuchern, vom bereitgestelltem Gehörschutz Gebrauch zu machen.
Trotzdem: Glauben Choreografen wirklich, eine expressive Wirkung ihrer Tanzkreationen nur mit einer dauernden Fortissimo-Beschallung erreichen zu können? Wissen sie, dass der "Kampf mit dem Lärm" bei vielen Zuschauern automatisch zu einer Abwehrhaltung führt, die es ihnen fast unmöglich macht, das auf der Bühne Gebotene mit voller Aufmerksamkeit aufzunehmen und zu würdigen?
In der Choreografie "Killer Pig" bewegen sich sechs Tänzerinnen in engen Catsuits mit bedächtigen, trippelnden Schritten über die Bühne. Sie erinnern an die Puppe Coppelia in Delibes gleichnamigem Ballett oder an ferngesteuerte Wesen von einem fremden Stern oder an unnahbare Models bei einer Modenschau. Bald schon mutieren sie aus einer synchronen Harmonie zu geheimnisvollen Amazonen, die sich in verschiedenen Formationen zu dem stampfenden Beat in unkontrollierten, fast epileptischen Bewegungsmustern von imaginären Fesseln befreien und auf ekstatische Höhepunkte zutreiben. Großer Applaus.
Zum Schluss "Minus 16" von Ohad Naharin. Seine Collage aus früheren Werken ist ein heiteres Stück für alle 16 Tänzerinnen und Tänzer: Clowneske Elemente zu Beginn, der Pessach-Gesang "Echad mi yodea" in rockiger Form, ein zärtlicher Pas de Deux zu Vivaldi-Klängen, Parodien von Swing-, Mambo und Cha Cha Evergreens – jetzt begeistert und überzeugt das Ensemble mit Chiffren der Lebensfreude, mit Übermut und tänzerischer Ausdruckskraft. Dann bitten die Profis 16 Tanzpartnerinnen und Tanzpartner aus dem Publikum auf die Bühne. Was für eine Idee. Der Jubel kennt keine Grenzen.