Bis zum 11. November 2010 weiß außer ein paar Freunden und Nachbarn kaum jemand in der Gegend, was Matthias Triebel macht. Irgendwas mit Film halt. An jenem Abend der Bambi-Verleihung vor zwei Jahren sehen ihn die Garstädter Kumpels plötzlich im Fernsehen. Im eleganten Smoking steht Triebel auf der Bühne in Potsdam, er hat den Arm um Jane Goodall gelegt. Die britische Schimpansenforscherin, über die Triebel den Dokumentarfilm „Jane's Journey“ produziert hat, lächelt ihn an. Ein Wahnsinnsmoment.
Alle Last der vergangenen Monate fällt von ihm ab, wird er zwei Jahre später erzählen, aber eine neue Last dräut: auf seinem Handy laufen mehr als 100 SMS ein, die meisten von Leuten, die sich ewig nicht bei ihm gemeldet haben. Im Gespräch lässt er keinen Zweifel daran, dass diese Menschen nicht alle seine Freunde sind. Obwohl er in Werneck geboren wurde, die meisten Jahre seines Lebens in der Gegend verbracht hat, obwohl er sich in Garstadt wohl fühlt und im Fasching mit den Leuten gerne einen Schoppen trinkt, sieht er sich als Außenseiter und glaubt, die meisten Menschen in Unterfranken würden ihm seinen Erfolg neiden: „Wenn du hier Heimat suchst, solltest du mit dem Strom schwimmen. Ich bin schon immer gegen den Strom geschwommen.“
Nach ein paar Stunden mit Matthias Triebel darf man es so deutlich formulieren: Dieser Mann sagt geradeheraus, was er denkt – wohl wissend, dass er oft provoziert und polarisiert. Warum er das tut, was ihn wirklich antreibt, was ihm wichtig ist – all das ist nicht so leicht zu ergründen. Was er beruflich macht, lässt sich besser beschreiben. Mit seiner 2008 gegründeten Firma CC Medienproduktions- und Verwaltungsgesellschaft produziert und coproduziert er Filme, beispielsweise „Hotel Lux“ mit seinem Freund, dem Regisseur Leander Haußmann und Michael Bully Herbig, „Wickie auf großer Fahrt“, „Goethe“, „Max Schmeling“. Mit „Jane's Journey“ ist er 2011 nur knapp an der Oscar-Nominierung vorbeigeschrammt, unterlag Wim Wenders „Pina“, was ihn bis heute wurmt. 2010 hat Triebel die „3D boutique“ eröffnet. Mit seinem Team hat er eine Technik entwickelt, mit der 2 D-Filme schneller und maßgeschneidert in 3 D-Filme umgewandelt werden können.
Produktionsort sind 600 Quadratmeter große Räume am Graben in Schweinfurt. In spärlich beleuchteten Räumen sitzen 40 Mitarbeiter im Zwei-Schicht-Betrieb am Bildschirm und ziehen beispielsweise Linien um eine Figur, die später in 3D besonders deutlich hervortreten soll. Mehr erklärt Triebel nicht, die Technik sei ohnehin nur ein Vehikel, um die Emotionen eines Films gezielt zu verstärken. Darum geht es ihm. Reine Effekthascherei ist ihm ein Gräuel. Dieses Konzept scheint aufzugehen. In nur zwei Jahren hat sich die Firma eine Position im internationalen Markt geschaffen, konvertiert derzeit einen der bekanntesten deutschen Filme, wenn nicht den berühmtesten überhaupt. Noch Top secret natürlich.
Dass es noch nicht mehr als 40 Mitarbeiter sind, liegt auch an der Finanzbranche, die sich nicht für 3D interessiere, sagt Triebel. Was wohl heißt, die ihm nicht das Kapital zur Verfügung stellt. Deswegen will er im Mai 2013 an die Börse, die Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft sei nur noch eine formal-juristische Angelegenheit.
Matthias Triebel dreht ein großes Rad, weltweit. Aber sein Hauptquartier hat er in Garstadt, Heimatdorf seiner Frau Nicole und Wohnort der vierköpfigen Familie. 2010 hat er einen halb verfallenen Dreiseithof mit viel Gespür für die Originalsubstanz sanieren lassen. Im ehemaligen Wohnhaus sind Büros, er nennt es „die Denkfabrik“.
Bevor er Besucher über den Hof in die Scheune führt, drückt er ein paar Knöpfe. Scheinwerfer leuchten auf, werfen riesige Schatten an die Sandsteinwände, aus mehreren Lautsprechern ertönt dramatische Filmmusik. Große Inszenierung. Einmal im Jahr lädt Triebel zu einem Fest, dann kommen viele bekannte Namen aus der Filmbranche.
Nicht ohne Stolz öffnet Triebel die Scheunentüre. Oben stehen seine Oldtimer, unten hat er die Requisiten seiner Filme aufgebaut. Ein Knopfdruck und grünes Licht lässt den „Cruck“ aus „Schwerter des Königs“ aus dem Dunkel hervortreten. Daneben hängt der Bademantel von Max Schmeling, in einer Ecke steht die Ritterrüstung aus „Wickie“.
Ist Matthias Triebel also ein Film-Verrückter, der all das, was er tut, aus Leidenschaft macht? Nein, sagt er und schüttelt den Kopf, als müsse er die Aussage bekräftigen. Bis er vor wenigen Jahren Regisseur Uwe Boll kennenlernte, hatte Triebel keine Ahnung vom Metier. Er war ein Kino- und Fernsehjunkie, liebte James Bond, Star Wars, Popcorn-Kino eben. Anspruchsvolle Filme langweilten ihn. Sein Geld verdiente er als Speditionskaufmann.
Mit Boll gründete er mehrere Gesellschaften, um die Filme zu produzieren, für die Boll Regie führte und um mit Filmrechten zu handeln. Triebel war Finanzvorstand und immer auch bei den Drehs dabei. Er sagt, er habe ein Gespür für Filme, für den roten Faden, für die richtige Emotion. Das Ganze lief gut, bis sich Boll und Triebel wegen „Jane's Journey“ trennten. Es gab „grundsätzlich unterschiedliche Meinungen über das Genre“, wie es Triebel ausnahmsweise zurückhaltend formuliert.
Der Dokumentarfilm über Jane Goodall wurde medial ein großer Erfolg und so hätte es weiter gehen können, wenn Triebel erstens nicht ständig neue Herausforderungen brauchen würde, um sich nicht zu langweilen und wenn er sich nicht zweitens unglaublich darüber geärgert hätte, dass ein Film spätestens zwei Tage nach dem Kinostart als Raubkopie im Netz steht. Da kam ihm die Idee mit der uralten Technik „3 D“. Ein solcher Film lässt sich nämlich nicht einfach kopieren. Allerdings war Drehen und Umwandeln bis dahin so teuer, dass es sich nur Produzenten mit großem Budget leisten konnten.
Vor diesem Hintergrund klingt die Gründung der 3D boutique ziemlich abenteuerlich. Triebel ist übrigens auch kein Technik-Freak. Sobald etwas funktioniert, interessiert ihn nur noch, wie es verbessert werden kann. Derzeit arbeitet sein Team daran, dass die Effekte nicht nur die Leinwand nach vorne überwinden, sondern auch nach oben und unten. Man könnte sagen, Grenzen reizen Matthias Triebel, sie zu überwinden.
Daneben ist er Lehrbeauftragter an der FH Würzburg/Schweinfurt, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Orthopädischen Klinik Werneck die Medizinfilmtechnik weiter (natürlich in 3D), er ist regelmäßig auf den großen Festivals und bei Drehs weltweit dabei und Mitmanager der Band „Black Ponys“. Man hat ihn oft einen Workaholic genannt. Er mag dieses Wort nicht, aber wenn man ihn fragt, ob er ein Getriebener sei, nickt er.
Was erdet einen Mann, der mal schnell für fünf Tage nach Los Angeles fliegt und der ein Foto von Angelina Jolie mit der Widmung „Matthias, with Love“ im Büro stehen hat? Auf jeden Fall seine Frau und seine beiden Töchter, das sagt er immer wieder. Vielleicht aber auch dieses Unterfranken, in dem er sich zwar unverstanden, aber irgendwie doch Zuhause fühlt.