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SCHWEINFURT
Matthais Tretter: In Titanic-Manier gegen den Eisberg
Redaktion
 |  aktualisiert: 09.01.2012 17:22 Uhr

Es ist ein Skandal: Mathias Tretter hat dem Chefredakteur dieser Zeitung bereits auf die Mailbox gesprochen. Er wollte die Veröffentlichung dieser Kritik unter allen Umständen verhindern. Der Ex-Würzburger hat den Eklat auch noch offiziell angekündigt, beim Jahresrückblick in der krachend vollen Disharmonie. Ja, der Wulff und seine „tätowierte Betty“. Das fing 2008 schon an wie die Weihnachtgeschichte: Mit schwangerer Frau auf Herbergssuche, und nun sitzt der Landesvater in seinem Haus „an der Leine“, mit Geerkens und Maschmeyer als „Ochs und Esel“. Hätten sie mal besser den Gauck zum Bundespräsidenten gewählt, hämt Tretter. Dann hätte endlich mal einer aus MeckPom Arbeit bekommen, zum ersten Mal seit fünf Jahren. So aber darf sich jetzt die „Bild“ als „Bastion der Pressefreiheit“ fühlen, ausgerechnet. Überhaupt, andere Präsidenten hätten einen Journalisten wie Kai Diekmann gleich auf die „Politkowskaja-Straße“ geschickt. Was tun mit Wulff? Am besten zum Straßenfegen schicken, wie es 2011 wieder mal bei Hartz IV-Empfängern vorgeschlagen wurde.

Satirische Rückschauen gibt es viele. Im Fall des umtriebigen Germanisten, Anglizisten, Poetry Slammers, Literaturkritikers, Wahl-Leipzigers und Zynikers erhält man einen echten Klassiker: Mit „Nachgetrettert“ veräppelt er die neue Weltreligion Apple ebenso wie die Pleite von Griechenland & Co. Der Vorschlag: Einfach unter anderem Namen neu anfangen. Das Label „DDR“ ist gerade frei: „Auferstanden aus Ruinen“ würde wunderbar auf Athen passen. Und Steve Jobs? Bei dessen Ableben hätte man spätestens nach drei Tagen eine „Resurrection App“ erwarten dürfen, eine Auferstehungsanwendung. „Gutti“ wäre hingegen nur noch als Nachfolger bei „Wetten, dass??“ tragbar. Ansonsten hat sich das Volk ein Beispiel an „DJ Doktor“ am akademischen Mischpult genommen - und ihn einfach abgeschrieben.

Satiriker Tretter schrammt, in „Titanic“-Manier, gerne mal hart am Eisberg vorbei, mit drastischen Bildern und Vergleichen. „Nachgetrettert“ ist oft mehr subtiler Polit-Horror als reines Kabarett, ein Spiel mit typisch deutschen Ängsten. Sei es nun der Schrecken vor dem Untod lange nach dem Karriereende (wie bei Heesters, Helmut Schmidt und der FDP). Sei es der Terror, durch ein Überfallkommando in der eigenen Wohnung erschossen zu werden, unbewaffnet neben der Ehefrau (Bin Laden von den Navy Seals, Jürgen Ponto durch die RAF?). Ist man am Ende selbst schon ein skurriler Freak, a la Berlusconi („Lust-Methusalix mit Haarteil“)? Oder wie Ghaddafi, der von den Rebellen mit einem goldenen Colt im Kanal entdeckt wurde? Nein, es war nicht „Kanal 6“. Das beste Versteck für Terroristen wäre immer noch Sachsen-Anhalt und Thüringen, spottet der Auswanderer. Da werden V-Leute vom Verfassungsschutz bezahlt, die dann rechtsradikale Parteien und Morde mit Steuergeldern finanzieren: „Braunkohle für den Osten“ lautet die Devise. Fast drei Stunden lang wird „geheestert“ und „geschmidtet“, sprich wie beim seligen Johannes das Tempo rausgenommen, im Kampf gegen das Verfallsdatum. Oder, wie beim Uraltkanzler (93), ungemein beschleunigt - auf dass die Zeit langsamer verrinnt. Der Zeiger rückt schon in Richtung Geisterstunde, als Wortspiel-Hypnotiseur Tretter sein fasziniertes Publikum aus dem Bann entlässt. Am Ende schlurcht nicht, wie gewohnt, Edel-Psycho Klaus Kinski über die Bühne. Die Kanzlerin selbst wendet sich als Zugabe an vereinsamte Menschen, fordert in ihrer stilistisch verrenkten Weihnachtsansprache zur Teilnahme am Mitmachen aus. Trotz allem Optimismus gibt es laut Angela Merkel ja durchaus Grund zur Zuversicht. Wie?s in ferner Zukunft weitergeht, entscheidet dann allein Helmut Schmidt.

Uwe Eichler

 
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