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SCHWEINFURT
Mathias Tretter blickte in der Disharmonie zurück
Matthias Tretter blickt auf das Jahr zurück.       -  _
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 01.01.2017 03:24 Uhr

Die Promis sterben wie die Fliegen, auch Mathias Tretter hat schon einen ganz rauen Hals. Schreckliche Jahre gab es früher schon. Für 2016 braucht es allerdings einen Therapeuten, meint der gebürtige Würzburger und Wahl-Leipziger, zwecks „aktiver Traumabewältigung“.

In Politik und Zeitgeschehen sind dafür die Kabarettisten zuständig, mit ihren satirischen Jahresrückblicken. „Nachgetrettert“ erzielt in der Disharmonie regelmäßig Traumquoten, beide Auftritte waren komplett ausverkauft.

Allerdings musste der gelernte Germanist die Erwartungen dämpfen: „Satire darf alles und erreicht nichts“. Bestes Beispiel: die Affäre Böhmermann. Dessen Schmähgedicht bot 2016 das Gegenstück zu Salman Rushdies „Satanischen Versen“. Halt auf dem Niveau eines Eklats bei der Abifeier, findet Tretter, mit anschließender Erdogan-Fatwa. Der „Popanz von Byzanz“ hat ein Verständnis von Satire wie der BR vor 30 Jahren. Merke: „Erdogan ist wie Strauß, nur ohne Alkohol.“ Seit dem gescheiterten Staatsstreich ist der „Osmanen-Gröfaz“ endgültig aufgeputscht. Merkel und die EU müssen parieren. Schließlich hält Erdogan 2,5 Millionen Flüchtlinge in einer Art umgekehrter Geiselhaft, Motto: „Ihr macht, was ich will, oder ich lass sie frei.“

Viele Länder hätten auch 2016 gerne in Frieden und Freiheit gelebt. Die USA liefern stattdessen Demokratie und Marktwirtschaft, per Luftwaffe. Übrig bleibt oft nur „Geröll mit Wahlen“. Der Rinderwahnsinn hatte ebenfalls Spätfolgen, in Form vom Brexit, spöttelt der Schottlandfan. Der dafür plädiert, nur noch Einzelne aus der EU rauszuschmeißen: Nigel Farage, Boris Johnson, die Pokemons.

Martin Schulz wiederum stürzt 2017, nach 22 Jahren in der politischen Schwerelosigkeit von Brüssel auf deutschen Boden zurück. Dann wird auch Donald Trump ins Amt eingeführt. Rein beruflich ein Glücksfall, findet der Satiriker: „George W. Bush, als Blondine.“ Leider ist es nicht ungefährlich, wenn ein notorischer Grapscher in die Nähe des roten Atomknopfs rückt: Der sieht schließlich schon aus wie eine Brustwarze. Noch ist nicht mal sicher, ob der Immobilienmogul überhaupt ins Weiße Haus zieht: „Da hat acht Jahre lang eine Negerfamilie drin gewohnt. Das kann man nur abreißen“.

Der schnoddrige Sarkast aus Sachsen ist gewohnt degoutant, dafür in der momentanen Hochspannung gut geerdet. Sein Landsmann und Geburtstagsvetter Johann Gottlieb Fichte hat einst „Felsmassen von Gedanken“ geschleudert, um die Nation zur geistigen Freiheit zu erziehen. Tretter, ehemals Gastlehrer in Edinburgh, feuert zum gleichen Zweck einen Berg Pointen ins Publikum.

Beim heimlichen Idealisten weiß man wenigstens, was man bekommt. Selbst manch grober, wild herumliegender Klotz wirkt da plötzlich beruhigend, wie ein Fels in der Brandung. Die Schweinfurter dürfen sich an mutigen Gesangseinlagen und einigen Volltreffern ins Hirn wie Zwerchfell erfreuen, bei ihrer erstklassigen Jahresabschluss-Therapie.

Anderen wurde der sichere Boden unter den Füßen weggezogen. Mario Barth ist zum „Entlarver der Lügenpresse“ mutiert, unter dem Beifall von FPÖ und AfD, Bob Dylan wurde Nobelpreis-Kollege von Elfriede Jelinek oder Herta Müller.

Die Deutschen haben endlich Anschläge von internationalem (IS-)Format. Tretter vermisst schon den einstigen Marktführer Al Kaida, der irgendwie den aktuellen Trend verschlafen hat, als Nokia unter den Terrororganisationen. Oder die „Biene, Biene Laden“, mit ihren kindgerechten Videobotschaften, FSK 6+.

Nach fast drei Stunden bleibt die Frage, die sich nicht nur die Medien stellen: „Der Alltag oder der Ernstfall, was ist eigentlich die Katastrophe?“ Die Antwort darauf gibt es vielleicht im neuen Jahr. Foto: Uwe Eichler

 
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