Zehn Seiten umfassen die beiden Anklagen gegen einen 33-jährigen Industriemechaniker, der seit Montag in Schweinfurt vor Gericht steht. Laut der ersten Anklage soll er am 1. Februar letzten Jahres gegen Mitternacht an einer Tankstelle in Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) mit seinem Auto einen 16-Jährigen absichtlich von hinten angefahren haben, weil dieser zuvor zweimal mit der Hand auf die Heckscheibe seines Wagens geschlagen habe.
Der zweite Vorwurf des Staatsanwalts lautet, der homosexuelle Angeklagte habe zwei minderjährige Jugendliche im Alter von 14 und 15 Jahren in insgesamt 15 Fällen sexuell missbraucht und sie dafür mit Marihuana ("Gras") entlohnt. Ferner habe der 33-Jährige in mindestens 47 Fällen unerlaubt Betäubungsmittel, meistens "Gras", an Jugendliche abgegeben und neunmal solche erworben. Diese Vorfälle sollen vom Sommer 2018 bis Ende 2019 stattgefunden haben. Im April letzten Jahres wurde der Mann festgenommen, er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Der Verteidiger des Angeklagten wollte das Verfahren zum Geheimprozess machen, indem er beantragte, die Öffentlichkeit vom kompletten Verfahren auszuschließen – sogar schon vor der Verlesung der Anklageschrift. Dem folgte die Große Jugendkammer des Landgerichts Schweinfurt so nicht. Sowohl die Anklage wurde öffentlich verlesen, und auch bezüglich der mutmaßlichen Autoattacke an der Tankstelle sah das Gericht keinen Grund, Presse und Zuschauer außen vor zu lassen.
"Gezielt Kontakt gesucht"
Mithin darf also schon berichtet werden, dass der Staatsanwalt dem Angeklagten vorwirft, er habe "spätestens seit dem Jahr 2018 gezielt Kontakt zu jugendlichen Jungen" gesucht, "um mit diesen sexuelle Handlungen vorzunehmen". Dazu habe er sich deren "Bedarf nach Betäubungsmitteln" sowie ihre "eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse" zunutze gemacht, "um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen". Diese waren laut Anklage durchaus speziell.
Ein 15-Jähriger, mit dem der Angeklagte Sex begehrte, habe diesem eine "Preisliste" zugesendet, für welche sexuelle Handlung wie viel Gramm Marihuana als Entgelt fällig seien, so der Staatsanwalt. Ein weiterer Minderjähriger, 14 Jahre jung, soll für die Befriedigung einer speziellen sexuellen Neigung des Angeklagten fünf Mal mit einem "Baggy Gras" (2,3 Gramm) im Wert von 30 Euro und in weiteren fünf Fällen mit mindestens 30 Euro in bar entlohnt worden sein.
Das Auto als Waffe
Was sagt der 33-Jährige zu den Vorwürfen des Anklagevertreters? Seine Aussage dazu findet nichtöffentlich statt. Auf Anfrage teilt der Gerichtssprecher dann mit, der Mann habe durch Verlesung einer schriftlichen Stellungnahme seines Verteidigers "zum Teil Vorwürfe eingeräumt". Das Gericht rechnet angesichts der vielen angeklagten Fälle des sexuellen Missbrauchs sowie des Erwerbs und der Weitergabe von Rauschgift wohl mit einer längeren Beweisaufnahme. Fünf Verhandlungstage sind bis 24. Februar angesetzt.
Was aber hat den Angeklagten am 1. Februar 2020 an der Maßbacher Tankstelle geritten? "Mit Vollgas" sei er laut Staatsanwalt über einen Bordstein gefahren und habe den Jugendlichen, der zweimal auf die Heckscheibe seines Wagens geschlagen habe, von hinten angefahren, so dass dieser "mit dem Rücken auf die Frontscheibe aufgeladen wurde" und auf der Fahrerseite neben dem Pkw aufgeschlagen sei. Sein Begleiter habe sich durch einen Sprung zur Seite zunächst retten können – und den Angeklagten gestoppt, indem er "auf die Motorhaube des Fahrzeugs aufsprang" und den Fahrer "mit massiven Schlägen auf die Frontscheibe" zum Anhalten bewegte. Der Prozess wird am 29. Januar fortgesetzt.