Ist zur Zeit auch die britische Schriftstellerin Joanne K. Rowling mit ihrem Harry Potter die Queen of Mystery, so lehrte schon vor 100 Jahren der romantisch-fantastische Dichter E.T.A.Hoffmann – in bescheidenerem Maße – seine jungen Leser das Staunen und Gruseln. In seiner Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ – Vorlage für Peter Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“ – heißt es: „Vor Angst und Grauen hatte Marien das Herz schon so gepocht, dass sie glaubte, es müsse gleich aus der Brust springen, dann müsste sie sterben. Aber nun war ihr, als stehe ihr das Blut in den Adern still“.
Was war passiert? Ängstigte Marie der Kampf der brutalen Mäusekompanie (Mausekönig Adrian Mihaiu) gegen die Puppenarmee? Das Rumänische Staatsballett Fantasio aus Konstanza am Schwarzen Meer erzählt in seiner Nussknacker-Version das ereignisvolle Weihnachtsfest im Hause des Präsidenten, schildert in Tanz und Musik die Träume und Abenteuer ihrer Tochter Marie. Das ausverkaufte Theater ist fest in der Hand der jüngsten Generation, die das vorgezogene Weihnachtsgeschenk genießt.
Auch hier im „Nussknacker“ ist Tschaikowskys rhythmisch, melodisch und klanglich originelle Musik die Basis, das Pfund, mit dem die rumänische Compagnie wuchern kann (Musik in Rumänien eingespielt). Farbenprächtig und kontrastreich hilft sie der manchmal arg soliden Choreografie von Georgiy Kovtun auf die Beine. Doch die Tänzerinnen und Tänzer geben trotz winterlicher Tourneestrapazen mit lachenden Mienen ihr Bestes, erschaffen mit den prächtigen Kostümen, dem eindrucksvollen Bühnenbild und der Musik einen bunten, fantastischen Bilderbogen.
Ein großer Nussknacker entsteigt dem magischen Würfel des Zaubermeisters Drosselmeier (Saiu Dan) und beginnt mit automatischen Bewegungen, Nüsse zu knacken. Später wird er sich in einen Märchenprinzen verwandeln - Horatiu Chereches ist mit der in ihn verliebten Marie von Aliss Tarcea ein schönes begabtes Solopaar, ebenso wie Drosselmeier und die Zuckerfee (Akari Manabe). Das weibliche Corps de ballet als zwölf entzückende Schneeflocken erntet Extra-Beifall im traumhaften Tanz der Schneekönigin.
Im Land der Zuckerfee sorgen die bekannten Nationaltänze in originellen Kostümen für Aufmerksamkeit und Abwechslung: der Bolero als Spanischer Tanz, der Chinesische Tanz, der Russische Tanz und der Tanz der Rohrflöten. Höhepunkt und ausgezeichnete Leistung ist im zweiten Akt der Blumenwalzer und der (verkürzte) Pas de deux mit Variationen. Das Schlussbild vereint alle Mitwirkenden auf der Bühne: Riesenapplaus, Begeisterungspfiffe, Bravos und viele Vorhänge für die sympathischen Gäste aus Rumänien.
Nur am Rande, zum Thema Kultur-Tourismus: Zur zweiten, ausverkauften Nussknacker-Aufführung in Schweinfurt am 28. Dezember kommen Mitglieder des Würzburger Wagner-Verbandes mit dem Bus. Manfred Herker