Zum 35. Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl versammelten sich am Montagabend rund 60 Menschen zu einer Mahnwache auf Initiative des Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft (SWAB) auf dem Georg-Wichtermann-Platz in der Schweinfurter Innenstadt.
Die Redebeiträge von Babs Günther, Sprecherin des SWAB, und Edo Günther, erster Vorsitzender der Schweinfurter Gruppe des Bund Naturschutz in Bayern, befassten sich mit der Situation im Anschluss an der Katastrophe von Tschernobyl aus heutiger Sicht sowie vor allem auch der Situation des Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld. Für die musikalische Untermalung sorgte die Schweinfurter Percussion-Künstlerin Petra Eisend.
240 Störfälle des AKW Grafenrheinfeld
Am Rande des Georg-Wichtermann-Platzes sorgten zudem "Babi-Schweinfurt" (Bürgeraktion Umwelt- und Naturschutz – Bürgerinitiative gegen Atomanlagen e.V.), unabhängig von der Mahnwache, für eine thematisch passende Aktionskunst. Auf der laut dem Aktivisten Roland Schwab circa 90 Meter langen Schriftrolle, die um ein Auto gewickelt wurde, sind über 240 Störfälle des AKW Grafenrheinfeld beschrieben. Dazu fordert "Babi" ein "Europa ohne Atom!"
"Der Super-GAU hat extrem viele Opfer gefordert – auch durch vielfältige genetische Schädigungen bedingt. Tschernobyl hat gezeigt, dass Atomkatastrophen in ihren Auswirkungen grenzüberschreitend sind, dass Atomkraft nicht kontrollierbar ist und, dass ihr Einsatz einem höchst gefährlichen Spiel mit dem Feuer gleichkommt. Atomkraft ist nicht zu verantworten", sagte Babs Günther und vertiefte anschließend die Katastrophe von vor 35 Jahren, bei der Tausende starben, verletzt oder zwangsumgesiedelt wurden.
Starke Kritik äußerte sie und ihr Bündnis zum Rückbau des AKW Grafenrheinfeld. Die Bedrohung durch radioaktive Strahlung setze sich fort. Teile der radioaktiv belasteten Abfälle aus dem Rückbau würden auf der Rothmühle deponiert, der thermischen Verwertung oder "ohne jegliche Einschränkung" dem Werstoffkreislauf zugeführt. Ihre Kritik äußerte sie auch zu den geplanten Atommülltransporten mit schwach- und mittelradioaktiv belastetem Material aus dem AKW-Rückbau in Würgassen nach Grafenrheinfeld.
Keine gerichtliche Überprüfung und keine Klage mehr
Einen "Atomstaat 2.0" gebe es in Deutschland mittlerweile, monierte Edo Günther vom Bund Naturschutz. "Alles was mit Atomfragen zu tun hat, ist in politischer Hand." Als Ausgangspunkt dafür sieht er das Urteil zum Zwischenlager Brunnsbüttel. Damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren könne, wurde laut ihm geregelt, dass die "Behörden immer Recht haben", "keine gerichtliche Überprüfung und keine Klage mehr möglich sind".
Edo Günthers Appell an alle Verantwortlichen in Stadt und und Landkreis Schweinfurt lautet: "Im Strahlenschutzgesetz steht, dass die erste Verpflichtung eine Minimierung der Strahlenbelastung ist. Tut endlich etwas dafür!" Auch minimale Strahlendosen können auf Sicht Gesundheitsschäden zur Folge haben, sagt er hinsichtlich des Rückbaus des AKW Grafenrheinfeld. Den politischen Druck aus der Politik und den Protest aus der Bevölkerung vermisst er derzeit.