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Schweinfurt
"Mahnmal der Versöhnung" in Schweinfurt: Einstige Kriegsgegner reichten sich die Hände
Bei der Enthüllung des Mahnmals für die Opfer des Bombenkrieges (von links): der Künstler Hubert G. Neidhart, Peter Bauer von der Regierung von Unterfranken, Georg Schäfer, Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, Colonel Eric T. Olson von der US-Garnison, Bud Klint von der Second Schweinfurt Memorial Association und Generalkonsul George A. Glass.
Foto: Laszlo Ruppert | Bei der Enthüllung des Mahnmals für die Opfer des Bombenkrieges (von links): der Künstler Hubert G. Neidhart, Peter Bauer von der Regierung von Unterfranken, Georg Schäfer, Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, Colonel ...
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 19.06.2023 02:26 Uhr

Monatelang hatten sie auf diesen Tag hingearbeitet. Und dann das. Am 16. Juni 1998 regnete es, in Strömen. Und dabei sollte doch um 11 Uhr am Bunker am Spitalseeseeplatz eine Feierstunde stattfinden. Zur Übergabe eines Mahnmals, das die Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner besiegeln sollte, zu dem rund 50 Amerikaner nach Schweinfurt gekommen waren, die als Soldaten am Luftkrieg über Schweinfurt beteiligt waren. Aber es regnete in Strömen.

Ein Anruf jedoch genügte, erinnerte sich einer der Mitorganisatoren, Hans Dieter Schorn. Für Günther Fuhrmann, der einst als Leiter des Amerikahauses zur deutsch-amerikanischen Verständigung wesentliches geleistet hatte, war es keine Frage, dass der Festakt, gerade einmal einen Steinwurf entfernt, im Foyer des vom ihm geleiteten Theaters stattfinden würde.

Zwei Jahre zuvor waren erste Kontakte zwischen den ehemaligen Soldaten der US 8th Airforce und den Flakhelfern geknüpft worden, die als 15- bis 18-jährige Schüler zur Verteidigung ihrer Heimatstadt eingesetzt waren. Die Stadt galt mit ihrer Industrie als kriegswichtig und war deshalb ein wichtiges Ziel der 22 schweren Bombenangriffe der Alliierten.

Erstes Mahnmal außerhalb der Vereinigten Staaten

In den USA hatten sich Bomberbesatzungen zur "Second Schweinfurt Memorial Association (SSMA)" zusammengeschlossen, zum Andenken an die Männer, die am 14. Oktober 1943, dem "Schwarzen Donnerstag", beim Angriff auf Schweinfurt ihr Leben verloren.

Kontakte zur SSMA hatte der spätere Ehrenbürger und Flakhelfer Georg Schäfer geknüpft. Mit Fotografien hatte er die Ausmaße der vermutlich größten Luftschlacht des Zweiten Weltkrieges deutlich gemacht, bei der 60 der 291 B-17 Bomber und rund 600 Besatzungsmitglieder nicht zu ihren Stützpunkten zurückkehren konnten und 276 Schweinfurter ihr Leben verloren.

Der Festakt zur Enthüllung des Mahnmals musste aufgrund strömenden Regens kurzfristig ins Theater verlegt werden. Am Pult: Initiator Georg Schäfer.
Foto: Laszlo Ruppert | Der Festakt zur Enthüllung des Mahnmals musste aufgrund strömenden Regens kurzfristig ins Theater verlegt werden. Am Pult: Initiator Georg Schäfer.

"Der Wahnsinn eines Krieges wurde einem, auf welcher Seite er damals auch stand, sehr unmittelbar bewusst", sagte Schäfer beim emotional geprägten Festakt mit Blick auf seinen Besuch in den USA. Und so sei es nur ein kleiner Schritt gewesen, der zur Errichtung dieses von den Amerikanern vorgeschlagenen "Mahnmals der Versöhnung" führte. Es ist das erste außerhalb der Vereinigten Staaten gewesen. Die Kosten von 20.000 D-Mark wurden über Spenden und Beiträge der Flakhelfer und der SSMA getragen.

Das Mahnmal erinnere an die Toten, aber es spreche zu den Lebenden

Großer Respekt sei ihnen, den Gästen aus Amerika, auch zu zollen, dass auch die Jagdflieger, die den 14. Oktober zum "Black Thursday"(Schwarzer Donnerstag) gemacht haben, zum Festakt eingeladen waren, sagte Schäfer.

Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, die ein Jahr später das Treffen der SSMA in Savannah/Georgia besuchten sollte, betonte beim Festakt, dass das Mahnmal alle Opfer des Luftkrieges um Schweinfurt ehre, "die deutschen, die amerikanischen und die Angehörigen anderer Nationen, die zivilen und die militärischen, Männer, Frauen und Kinder".

Das Mahnmal erinnere an die Toten, aber es spreche zu den Lebenden. Wer eine leidvolle Vergangenheit verinnerlicht, erneut durchlebt habe, der sei in besonderer Weise befähigt, so zu handeln, dass er sie nicht wiederholen muss. "Wir waren einst Feinde, nicht nach eigenem Willen, sondern gezwungen, wobei jeder seine Pflicht tat, und nun kommen wir als Freunde zusammen, mit dem festen Willen, die künftigen Generationen deutlich darauf hinzuweisen, dass wir die Fehler der Vergangenheit, die alle Völker begingen, nicht vergessen dürfen, aus ihnen lernen müssen, um sie in Zukunft nicht wieder zu begehen", betonte Bud Klint, der Sprecher der SSMA.

Einstmals Feinde im Krieg, heute als Freunde verbunden mit dem Wunsch auf Frieden unter den Völkern

Schweinfurt war als Standort der deutschen Wälzlagerindustrie ein Ziel von strategischer Bedeutung und darum besonders gut verteidigt. Die Stadt sei zweifellos das gefürchtetste Ziel gewesen, das die 8. Luftflotte 1943 anfliegen musste, sagte Klint. Er könne sich aber vorstellen, dass die Luftschutzsirenen auch diejenigen, die damals auf der Erde waren, Angst und Schrecken einflößten. "Wir alle kennen nur zu gut den furchtbaren Preis an Menschenleben, Ausrüstung und Sachgütern, der damals zu zahlen war."

Geschaffen hat das Mahnmal mit der Inschrift "Einstmals Feinde im Krieg, heute als Freunde verbunden mit dem Wunsch auf Frieden unter den Völkern" der Künstler Hubert G. Neidhart, der selbst als Flakhelfer die über 20 Angriffe aus der Luft um Schweinfurt miterlebt hatte. Die 1500 Kilogramm schwere und durch einen Riss gespaltene und aus dem Lot geratene Stahlplatte symbolisiert die alles zerstörende Gewalt des Krieges und erinnert zugleich an unsägliche Leid auf beiden Seiten.

Nach rund einer Stunde, das Orchester des Alexander-Humboldt-Gymnasiums hatte die beiden Nationalhymnen gespielt, hörte der Regen auf, ging es doch noch zum Mahnmal. Zu einem würdigen Abschluss des Festaktes. Seitdem fanden regelmäßige Treffen zwischen den Flakhelfern und der SSMA statt.

 
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