Eigentlich, ja eigentlich ist der Franke ein abwartender Geselle. Möglichst lange schaut er sich das Geschehen an, bis er sich dann zu einem – meist sehr einsilbigen – Kommentar hinreißen lässt. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Mäc Härder ist so eine. Bei ihm hat mittlerweile die Turbo-Technik Einzug gehalten.
Anders ist es nicht zu erklären, warum der in Mittelfranken wohnende Unterfranke fast dreieinhalb Stunden redet, jongliert und lacht – normalerweise ist Schweigen in Franken ja der meist gesprochene Dialekt.
Moment! Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Härder, der um ein Haar mal Lehrer geworden wäre, hat sich einfach mal in das Geschehen seiner Heimatregion vertieft. Da geht's – trotz der meist ländlich-ruhigen Fassade – richtig ab. Ohne Turbo-Boost würde man mit der Frankenkunde auch gar nicht mehr fertig werden.
Doch die Agilität des hauptberuflichen Neuzeit-Gauklers hat spürbar gelitten. Ganz besonders im Supermarkt, wo ihm die Gemüsetheke mit ihren komischen Einweg-Tütchen als Erstes entgegenspringt. „Feinmotorisch bin ich ein 80-Jähriger“, gibt er unumwunden zu, während er kläglich daran scheitert, eine Rolle Gemüsebeutel zu bändigen. Erst nach freundlicher Mithilfe eines Mannes aus dem Publikum, der ihm das Verpackungsmaterial „ausanannazärrd“, kann er es nach Herzenslust durch die Lüfte wirbeln, bis diese fiesen Dinger einen gehörigen Drehwurm haben. G'scheit so! Rache muss sein!
Das gilt übrigens auch hinsichtlich der Preußen, deren Existenz den Franken in seiner Heimat schon lange nervt. Doch die Vergeltung fällt mitunter nur dem bösen „Saupreiß“ auf: Manche Wörter haben in Franken einfach eine komplett andere Bedeutung. Allen voran der berühmte Schoko-Kokos-Riegel. Das glauben Sie nicht? Fahren Sie einfach mal zur nächsten Baustelle außerhalb der Gemarkung ihres Heimatorts. Früher oder später kommt da sicher folgende Frage auf: „Bounty da was an der Umgehungs-Straß'?“
Die Sprache ist in diesen Gefilden ohnehin eine große Baustelle – mit einer Staugefahr, die beängstigender ist als die tägliche Wartezeit auf dem Frankenschnellweg. Gott sei Dank gibt's aber für alles und jeden eine Lösung – in diesem Fall, so gibt Franken-Forscher Härder feierlich bekannt, heißt sie „Erzen“ und „Ihrzen“. „Jeder kennt's“, meint der exzentrische Heimatkundler grinsend, „Erzen ist, wenn der Meister in der Autowerkstatt sagt: ,Wenn er des Auto um Viere bringt, kann er's um Fünfe widda abhol'!'“
Ähnlich, aber noch ein bisschen skurriler ist die Befundlage rund um's „Ihrzen“: „Ich komm' da allein zum Auftritt. Fragt mich der Hausmeister, ob ,Ihr allein kommt'. Ich guck mich um, aber da ist keiner mehr!“ Was man nicht alles tut, um das Duzen zu vermeiden . . .
Doch der Mann im schrillen grasgrünen Anzug samt Klatschmohn-Blüten nimmt's mit Humor. Dieses Prachtexemplar hat der aus Wollbach im Landkreis Rhön-Grabfeld stammende Kabarettist übrigens extra von einer Künstlerin bemalen lassen. „Ich dachte mir: Wenn sich niemand an mein Programm erinnert, dann wenigstens an den Anzug“, berichtet er grinsend. Doch seine Ausführungen in seinem Ex- und Importschlager „Viva la Heimat“ gehen nicht mehr so schnell aus dem Kopf.
Denn das, was der selbsternannte „König von Franken“ zu berichten weiß, hat, wenn man genau hinhört, auf jeden Fall Hand und Fuß. Heimat beginnt für ihn ja schließlich schon im Gehirn. „Jedes zehnte Kind wird in einem IKEA-Bett gezeugt. Wer noch keins hat, sollte sich eins holen“, fordert die Ulknudel. Aber bitte nicht aus Würzburg, sondern aus Fürth. Denn da steht das Möbelhaus im Stadtteil Poppenreuth. Na, wenn das nicht mal wahre Frankenkunde ist . . .