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SCHWEINFURT
Made in SW und bald in jedem Erste-Hilfe-Kasten?
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:08 Uhr

Fünf Gramm wiegt der von Martin Thurn erdachte und jetzt mit zwei Geschäftspartnern zur Produktionsreife entwickelte Fingerschutz „T.Solid“, der vielleicht schon bald standardmäßig in jedem Erste-Hilfe-Koffer und allenthalben im Krankenhausalltag zu finden ist.

Stich- und Schnittverletzungen sind keine Seltenheit

In keiner anderen Berufsgruppe werden mehr Stich- und Schnittverletzungen als bei den Pflegekräften notiert. Bis zu 75 Prozent dieser Unfälle betreffen Ärzte, Pflegekräfte und medizinisches Fachpersonal. Beim Umgang mit Blut, Blutprodukten oder anderen Körperflüssigkeiten besteht außerdem die Gefahr von Infektionen, insbesondere bei Nadelstichverletzungen, wobei vor allem das humane Immundefizienz-Virus (HIV) sowie das Hepatitisvirus B (HBV) und das Hepatitisvirus C (HCV) bedeutsam sind.

Eine Ansteckungsgefahr ist heute immer im Spiel

Allein bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege wurden im Jahr 2013 bundesweit über 49 000 Stichverletzungen registriert. Schätzungen gehen von einer zehnfach höheren Anzahl aus, da Stichwunden selten gemeldet werden.

Martin Thurn weiß um die Verletzungsgefahr aus der eigenen Berufstätigkeit. Auf der Dialysestation in Freising, wo der Krankenpfleger sechs Jahre arbeitete, steckten sich drei Kollegen mit Hepatitis C an. Diese hatten sich beim Abklemmen der Patienten von der Blutwäsche mit der Nadel gestochen.

Das erste Modell: eine Mischung aus Fingerhut und Schiene

Vor drei Jahren begann Tüftler Thurn an einem Stichschutz für die Finger zu basteln. Heute ist die Mischung aus Fingerhut und Schiene patentgesichert. Auch ist das Plastikteil reif für die Serienproduktion. Vor kurzem erfolgte die medizintechnische Zulassung für den T-Solid von mediaux.care durch das Bundesministerium für Gesundheit.

Ursprünglich ging es Thurn um die Entschärfung einer speziellen Gefahrensituation: Nach der Blutwäsche muss der Pfleger beim Ziehen der Hohlnadel (Kanüle) aus dem Shunt (Schnittstelle beim Übertritt von Flüssigkeiten) mit dem Finger einen Tupfer auf die Austrittsstelle drücken. Bei diesem Vorgang kann die Nadel – oder auch eine weitere im Zugang steckende Nadel – hinausfedern und verletzen. Binden und Pflaster, die bei der Dialyse im Bereich des Körperzugangs angebracht sind, erhöhen die Brisanz beim Entfernen der Kanüle, weil der Pfleger nicht genau sieht, wie weit die Nadel eingesteckt ist.

Auch Chirurgen haben Interesse angemeldet

Ähnliche Situationen treten bei der Entnahme von Blut und anderen Körpersäften und auch nach dem Spritzen von Medikamenten auf, weshalb das Hilfsmittel T-Solid vielfältig einzusetzen ist.

Der Prototyp war 2014 in Schweinfurt bei MS-Creare, der Firma für 3D-Scan, -Druck und -Konstruktion von Stefan Förch und Marco Weiland, entstanden. Mit und über seine jetzigen Geschäftspartner hat Thurn bereits eine Firma gefunden, die die Produktion großer Stückzahlen übernehmen würde. Auch ein Großhändler steht bereit.

Vorerst wird jedoch in eigener Regie produziert und geworben, – Kliniken, Dialysezentren, aber auch Notaufnahmen gehören zu den ersten Adressen, bei denen der Erfinder vorstellig wird. Interesse am Fingerschutz haben außerdem Chirurgen angemeldet, die nach einem Hilfsmittel beim Verdrahten am Knochen suchen.

Die Entwicklung geht weiter, mit Algen

Die Kosten pro Stück (vier Größen, wie bei den Einweghandschuhen) beziffert Thurn auf einen einstelligen Euro-Betrag im unteren Bereich. Für den ursprünglich als Einwegprodukt gedachten T.Solid sind Mehrfachanwendungen selbst bei der Dialyse erlaubt (bis zu zehnmal), was die Kosten pro Anwendung in den Centbereich drückt. Das Hilfsmittel darf sowohl im Instrumentenbad wie durch Sprühdesinfektion auf einen weiteren Einsatz vorbereitet werden.

Noch wird mit Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat, kurz ABS, das stabile und leicht gekrümmte Hilfsmittel per Spritzguss produziert. Über kurz oder lang will Thurn auf ein aus Algen gewonnenes Material (plus Kleber) umstellen, das beim Thema Allergien ebenfalls als unbedenklich eingestuft ist.

 
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