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Schweinfurt
Madame Bovary wird zur Groteske
Das Theater Wahlverwandte nahm sich des Romans Gustave Flauberts an. In Schweinfurt bietet es einen kurzweiligen Abend.
Lisa Wildmann ist eine Madame Bovary, die aus der Enge der Provinz ausbricht, und schließlich verzweifelt.
Foto: Marc Noormann | Lisa Wildmann ist eine Madame Bovary, die aus der Enge der Provinz ausbricht, und schließlich verzweifelt.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 15.02.2019 02:16 Uhr

Über einen Zeitungsartikel ist Gustave Flaubert Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Geschichte der Delphine Delamare gestoßen, die zur Grundlage seines ersten Romans werden sollte, der ihm sehr viel später Weltruhm einbrachte, ihn zunächst jedoch vor Gericht führte, weil das, was er schrieb, doch allzu anstößig, die Moral untergrabend erschien.

"Madam Bovary" ist die Geschichte einer jungen Frau in der spießig-engen französischen Provinz an der Seite eines trögen Arztes, die ausbricht, Liebhaber sucht, in Luxus schwelgt.

Rund 150 Jahre ist das her, eine ähnliche Geschichte könnte es auch heute geben, meint Wolfgang Seidenberg, zum Skandal würde sie jedoch heute nicht mehr reichen. Und so hat er den ziegelsteindicken Roman zu einer zweistündigen Groteske eingedampft und mit dem Theater Wahlverwandte aus Kempten, das in Schweinfurt schon mit Goethes "Wahlverwandtschaften" und Kleists "Marquise von O…" zu Gast war, auf Tournee geschickt.

Szenerie franst manchmal in Richtung Klamauk aus

Es bietet auch diesmal einen kurzweiligen, unterhaltsamen Abend, wenngleich die Szenerie manchmal etwas wild in Richtung Klamauk ausfranst, wenn zum Beispiel der Arzt recht rustikal ein Bein amputiert oder es auf einer von allerlei schrägen Figuren bevölkerten Landwirtschaftsmesse zum Kampf mit der Lautsprecheranlage kommt.

Stefan Morgenstern hat eine so schlichte wie stimmige Bühne gebaut, mit einer Reihe von Stellwänden, die sich um die eigene Achse drehen und einen schnellen Wechsel der Szenerie erlauben, mit einigen Kinosesseln, von denen vom Rand aus das Geschehen erzählerisch vorangetrieben wird und mit einem immer wieder verschobenen roten Sofa, auf dem es sich fläzen, träumen und lieben lässt.

Getragen wird der Abend von fünf hervorragenden Schauspielern. Lisa Wildmann zeigt eine Emma Bovary zunächst verträumt tanzend, dann als sich langweilende in Buchwelten flüchtende Arztgattin. Sie will weg, möglichst nach Paris. Sie sucht das Abenteuer, Liebe. Sie entwickelt intensive Gefühle und wird zutiefst enttäuscht. Lisa Wildmann lotet dieses Wechselspiel bis hin zum verzweifelten Freitod expressiv aus.

Christian Kaisers Charles Bovary ist ein langweiliger, naiver, leicht trotteliger Ehemann. Die drei anderen drei Schauspieler schlüpfen in irrsinnig schnellen Wechseln in die unterschiedlichsten Rollen. Hans Piesbergen ist der Aufreißer vom Land, der sich mit Emma seinen Spaß macht und er ist die Karikatur eines strengen Abbés. Ursula Berlinghof gibt im konservativen Kostüm und mit Blockabsatz Maman Bovery schmallippig streng und den selbstverliebten Apotheker Homais kräftig ausgestopft mit – warum auch immer – hessischem Akzent. Sebastian Strehler ist mit schöner Gesangsstimme ("La Mer") ein blasser Notargehilfe Léon, den Emma nach einigem Anlauf doch noch ins Bett bringt, und ein gerissener Kaufmann Lheureux, der Emma zum Luxus verführt und mit Wucherzinsen schließlich in die Depression und den Tod treibt.

 
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