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SCHWEINFURT
Lügen oder alternative Fakten oder doch Wahrheit?
Wigalf Droste las im Kulturschreiberhaus.
Foto: Josef Lamber | Wigalf Droste las im Kulturschreiberhaus.
Erna Rauscher
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:47 Uhr

Die letzte Veranstaltung im Rahmen der fünftägigen Feierlichkeiten anlässlich des 25-jährigen Bestehens des KulturPackts Schweinfurt ist dem Wort gewidmet.

Die Aula im Stadtschreiberhaus wird bei einer Sonntagsmatinee Ort einer Lesung mit Wiglaf Droste. Mit tief in die Stirn gezogenem Hut und dunkler Sonnenbrille trotzt er einer allergenen Reaktion auf den auf dem Lesetisch platzierten Blumenstrauß.

Von Johanna Bonengel wird er als frech und chaotisch und Verfasser absurder und skurriler Texte und designierter Preisträger des Göttinger Elchs 2018 angekündigt.

Droste kokettiert, die Vorrede löse Befangenheit in ihm aus. Er wünscht eine leisere Lautstärkeneinstellung der Tonanlage, die ihm gewährt wird. Fortan nuschelt er ins Mikrofon, nur mit höchster Konzentration ist er zu verstehen. Seine Texte tanzen zwischen beißender Satire und banalen Reimlingen. Die kugelrunde Kunigunde, der man die Liebe zu Pflaumenkuchen mit Sahne ansieht eröffnet einen Reigen von Gedichten.

Er kalauert über den grünen Meerrettich „Wasabi dir nur getan?“, sinniert über den Klavier übenden Mann, macht nicht Halt vor der Beziehung zwischen sich und seinem Gemächt. Publikumswirksam wundert er sich über den Applaus ob derlei Sottisen.

Mit der Deftigkeitszange greift er nach Weisheiten wie „Freundschaft ist wie ein Kachelofen“ und ergeht sich in einer geografischen Liebeserklärung an die Ortschaft Biemsen-Ahmsen in seiner ostwestfälischen Heimat.

Der Nachruf auf Harry Rowohlt zeigt Droste als warmherzigen Beobachter. Doch schnell schwenkt er wieder zum Spötter, beschreibt den Weg von der Liebe zum Partnerlook und definiert die Ehe als eine ausgeklügelte Form des Sadomasochismus. Dabei erweist er sich als scharfer Beobachter und Meister der trefflich spitzen Formulierung. Seine kindliche Lust am Spiel mit den Worten erklärt sich aus der erst kürzlich überwundenen Pubertät.

Noch nicht auf Betriebstemperatur

Das viertelstündliche Geläut von St. Johannis nebenan zieht sich als running gag durch den Vormittag, das Zwölfuhrläuten nimmt Droste grinsend als den göttlichen Applaus hin, klopft dazu passenderweise singend an die Himmelstür. Als er sich an Bob Dylans „Blowin‘ in the wind“ versucht, gehen ihm die Worte aus und er entschuldigt sich damit, dass er einfach noch nicht auf Betriebstemperatur sei. Wiglaf Droste lässt sich auch beim abschließenden Gespräch mit Johanna Bonengel nicht aus der Reserve locken.

Reizthemen wie gendergerechte Sprache umschifft er ebenso wie einen Vorschlag zum Unwort des Jahres. Ach ja, Schriftsteller sei er geworden, um unverblümt lügen zu dürfen. Nein, er sei nicht „nur“ Satiriker. Die Bezeichnung sei verharmlosend, Satire meint es ernst. Wobei er also doch noch die Kurve zum Ausstellungsthema „Alternative Fakten“ kriegte.

 
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