50 Jahre lang hat Ludwig Gebhard unermüdlich geschaffen. Er, der sich selbst als Konstruktivist sah, ist der Formensprache der 1960er- und 1970er-Jahre bis zum Schluss weitgehend treu geblieben und beeindruckt in seinen Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Radierungen, Druckgrafiken und Linoldrucken vor allem mit seiner teilweise bis ins Extrem gesteigerten Genauigkeit und technischen Präzision, wie Georg Drescher, Leiter des Museums Otto Schäfer erklärt.
Die neue Ausstellung im MOS, die am Sonntag um 11 Uhr eröffnet wird, widmet sich den figurativen und geometrischen Darstellungen und deckt alle Schaffensperioden des Künstlers ab. Dadurch wird es möglich, seiner ständigen Auseinandersetzung mit den Themen Mensch, Natur, Umwelt und der Technisierung der Welt zu folgen.
Allgegenwärtig sind seine „Ohrenköpfe“ und Werke, in denen immer wieder menschliche Körperteile, Arme, Beine, Füße, lose im Raum zusammengesetzt, auftauchen. Ein roboterhafter Kopf in Grafit gezeichnet, mit nur einem Auge, fast außerirdisch anmutend. Die monochrome Auseinandersetzung in den 70er-Jahren mit der Anti-Atomkraftbewegung – eine Serie, deren Teile mit Buchstaben benannt sind. In einer Reihe bilden diese Buchstaben das Wort „Atomkinder“. Der Linoldruck „Lebensfaden“, auf dem eine Scheren denselben durchschneidet.
Farbe statt Düsternis
All diese Bilder könnten düster, pessimistisch wirken. Dagegen stehen Gebhards Maximen: „Ich will damit Freude vermitteln – Die Ästhetik spielt eine große Rolle – All das Grau in Grau in den Städten – Ich will Farbe auf das Papier bringen!“ Die Arbeiten strahlen bei aller Farbintensität oder Düsternis Leichtigkeit aus. Sein Drang zu Perfektionismus und Ästhetik fügt noch die aggressivsten Formen und Linien zu unglaublicher Harmonie zusammen. Kein Strich wirkt zufällig, jede Farbfläche, jede Form ist exakt platziert, sorgt für größtmögliche Ausgewogenheit.
Das Beeindruckendste sind aber die Linoldrucke aus der verlorenen Form, eine Technik, bei der eine einzige Druckplatte bis zu 14 Mal bearbeitet wird. Ist ein Arbeitsschritt einmal eingeschnitten und gedruckt worden, kann nichts mehr geändert werden, die folgenden Schritte müssen genau geplant sein. Diese Arbeiten sind in ihrer „starken Akkuratesse und hohen Genauigkeit bis zum Extrem“ kaum zu übertreffen, sagt Georg Drescher.
Der zweite und dritte Blick
Es lohnt sich, diese Arbeiten auf den zweiten und dritten Blick auf sich wirken zu lassen. Denn auf den ersten erschließt sich die Vielschichtigkeit der Kompositionen nicht unbedingt.
Es ist auch die Art des Farbauftrags, die gerade seine Linoldrucke so einzigartig macht, sagt der Leiter des Museums. Hier entstehen Farbverläufe, die in ihrer fließenden Harmonie allein ob der Schwierigkeit der Technik Seltenheitswert haben.
Zu sehen sind auch Skizzen aus Ludwig Gebhards (1933–2007) Notizbuch aus den 80er-Jahren und Farbradierungen aus den 2000ern, die wesentlich freier und bewegter wirken, nicht mehr so stark geometrisiert und streng.
Das Museum zeigt neben Werken aus dem Besitz der Witwe Conradine Gebhard einige Stücke, die diese dem Museum 2012 geschenkt hat. Gebhards Arbeiten sind vor allem im Ludwig-Gebhard-Museum in Tiefenbach in der Oberpfalz, dem Geburtsort des Künstlers, zu sehen, aber auch in europäischen Ausstellungen oder der Münchner Pinakothek der Moderne.
Museum Otto Schäfer: Buchkünstlerische und grafische Arbeiten von Ludwig Gebhard, 8. Februar bis 14. Juli, Judithstraße 16. Eröffnung am Sonntag, 8. Februar, 11 Uhr.