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GEROLZHOFEN
Lockende Ländereien im Osten
Das ungarische Elek wird mit Sicherheit diejenige unter allen Gerolzhöfer Partnerstädten sein, mit der die engsten historischen Beziehungen bestehen. Am 18. Mai wird die Städtepartnerschaft formell besiegelt. Hier die fast 300 Jahre alte Vorgeschichte.
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Finster
 |  aktualisiert: 04.04.2008 13:13 Uhr

In Mitteleuropa schon so gut wie ausgerottet, hat die Pest in Ostungarn noch einmal zugeschlagen und ganze Regionen entvölkert. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das. In dieser Zeit kamen ungarische „Menschenwerber“ auch nach Gerolzhofen, um Ansiedlungswillige ins Land der Magyaren zu holen und damit die Menschenverluste auszugleichen. Sie hatten Erfolg. 1724 machte sich der erste Treck aus der Stadt am Steigerwald auf in eine risikoreiche Zukunft.

Der frühere, 2003 verstorbene Stadtarchivar Otto Weigand und Altbürgermeister Hartmut Bräuer haben die Geschichte der Trecks nach Osten recherchiert und dabei viele Fakten ans Tageslicht gefördert. Die Werber versprachen den Neusiedlern viel Land in der Region zwischen Gyula und Arad (Letzteres gehört heute zu Rumänien). Der erste Gerolzhöfer Treck mit 60 Auswanderern bewegte sich zuerst zu Fuß und mit Pferden bis nach Regensburg, um dann mit so genannten „Ulmer Schachteln“ (floßartige Einweg-Boote, die zum Warentransport donauabwärts dienten und am Zielort zu Bau- oder Brennholz verarbeitet wurden) weiter Richtung Osten zu fahren.

Großzügige Landverteilung

Im heutigen ungarisch-rumänischen Grenzgebiet verfügte der österreichische Staatsbeamte Johann Georg Harrucker über viel Land, das er für seine Leistung als Quartiermeister bei den habsburgischen Feldzügen erhalten hatte und das er großzügig an die Siedler weiter vergab.

Auf der anderen Seite sah es der Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn überhaupt nicht gern, wenn Menschen sein Bistum verließen. Wer einmal weg war, durfte nicht mehr zurück, so seine Verfügung, mit der er die Leute bei der Stange halten wollte. Der Bischof tat das nicht ohne Grund: In Franken war man gerade wieder dabei, die ungeheuren Menschenverluste aus dem Dreißigjährigen Krieg auszugleichen. Gut zu sehen ist das am Beispiel Gerolzhofens. Vor dem Krieg hatte die Stadt 1000 Einwohner, danach nur noch 600.

Zwei Frauen gleichzeitig

Um Nachwuchs zu schaffen, durfte kein Mann unter 60 Jahren mehr Geistlicher werden und es war Männern sogar erlaubt, sich zwei Frauen gleichzeitig zu nehmen. So hatte Gerolzhofen im Jahr 1700 wieder 1100 Einwohner. Trotzdem zogen die Auswanderer von dannen, meist waren es kleine Handwerker. Im unbewohnten Elek bekamen sie fruchtbares Land, das allerdings versumpft war und erst trockengelegt werden musste.

Noch mehr Auswanderer aus anderen deutschen Landstrichen kamen dazu und so wurde Elek bald das Dorf mit dem größten Anteil an Deutschen in ganz Ungarn – bis zu 75 Prozent. 1940 hatte Elek 11 000 Einwohner. Durch die Vertreibung sank die Zahl auf 3000, heute sind es wieder rund 5500. Die Einwanderer konzentrierten sich auf den Getreideanbau und die Schweinemast im Freien.

Bald gingen die Produkte aus Elek in die Hauptstadt Budapest. 1735 wütete eine neue Pestepidemie in der Region. Anders als in Mitteleuropa waren die hygienischen Verhältnisse noch schlecht. Über Ratten und Flöhe übertrug sich die tödliche Krankheit. Der Arzt Lorenz Wittmann versuchte durch Abschottung des Dorfes zu helfen, doch er selbst starb bereits als Vierter bei der Epidemie, die ganze Familien ausrottete. Andere dagegen wie die heute noch in Elek lebende Familie Strifler hatten überhaupt keine Opfer zu beklagen.

1744 waren wieder die ungarischen Werber unterwegs und aus Gerolzhofen startete ein zweiter Treck nach Elek. Ironie der Geschichte: Fast genau 200 Jahre später, 1946, bewegten sich viel größere Trecks zurück nach Deutschland, diesmal allerdings erzwungen. Die Vertriebenen fanden ihre neue Heimat meist im Südwesten Deutschlands.

Die neue Verbindung zu Elek knüpften in den 80er Jahren der ehemalige Eleker Franz Ament (Marktheidenfeld) und der damalige Gerolzhöfer Stadtarchivar Otto Weigand an. Ungarn war damals allerdings noch sozialistische Republik, so dass noch keine echte Partnerschaft möglich war. Immerhin unterzeichneten Hartmut Bräuers Vorgänger Franz Stephan und sein Eleker Amtskollege Istvan Szanto aber 1987, also noch vor der Wende, einen Freundschaftsvertrag.

Schwerpunkt der bisherigen Partnerschaft ist ein regelmäßiger Schüleraustausch. Dabei sind die Gerolzhöfer Schüler sind mit dem Reitkurs bei den ungarischen Gastgebern stets zu begeistern. In Elek leben heute die drei Nationalitäten Ungarn, Deutsche und Rumänien in gegenseitiger Achtung friedlich zusammen.

Als Erinnerung an schlimme Zeiten, aber auch als Zeichen der Versöhnung ist das Mahnmal zu verstehen, das die Eleker zum Gedenken an die deutschen Vertriebenen errichtet haben.
Foto: FOTO HenninG Hofmann | Als Erinnerung an schlimme Zeiten, aber auch als Zeichen der Versöhnung ist das Mahnmal zu verstehen, das die Eleker zum Gedenken an die deutschen Vertriebenen errichtet haben.
So sieht es heute in der Hauptstraße von Elek aus.
Foto: FOTO henning Hofmann | So sieht es heute in der Hauptstraße von Elek aus.
 
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