
Liebe macht hungrig. Zumindest laut Bernd Lemmerich, der vor seinen Rezitationen von „Lyrik und Prosa zur Liebe aus einem Jahrtausend“ ermunterte, ordentlich von den kulinarischen Köstlichkeiten des Büchereiteams zu essen. Denn seine Gedichte, teils voller Schmerz, teils ergreifend, brauchten Ruhe. Die kulinarische Lesung in der Gemeindebücherei sollte für die 40 Besucher daher keine parallele Veranstaltung von Essen und gleichzeitigem Zuhören sein.
Literatur braucht Aufmerksamkeit. Die war Bernd Lemmerich, leidenschaftlicher Vorleser, Literaturkenner und Theatermann, gewiss, als er Gedichte sowie Ausschnitte aus Novellen und Romanen vortrug. „Der Sprache wegen“ hatte er Texte von Walther von der Vogelweide bis Berthold Brecht ausgewählt, und in allen spielte die Liebe eine Rolle.
Die heimelige Atmosphäre der Unteren Mühle mit knisterndem Kaminfeuer erschwerte zwar eingangs die Vorstellung von frischem Frühling, von Aufbruch hinaus in die Welt, wie sie etwa Joseph von Eichendorff in seiner Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ beschrieb. Aber Lemmerich wollte mit dem Protagonisten, einem Müllerssohn, an den Ort des Leseabends anknüpfen.
Von der Romantik ging es zum Sturm und Drang, und Goethes „Willkommen und Abschied“ ging dank Lemmerichs gefühlvollem Vortrag ans Herz. „Und doch, welch Glück, geliebt zu werden“, hallte es im still gewordenen Raum nach.
Heinrich Heines Gedicht von der verschmähten Liebe zur „Loreley“ und seinem ironischen „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ folgte die Interpretation von Erich Kästner. Unter dem Gelächter der Zuhörer machte sich Lemmerich mit Kästners „Handstand auf der Loreley“ lustig: „Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt“, rezitierte er den 1974 gestorbenen Schriftsteller.
Dass Lyrik auch unter die Haut gehen kann, bestätigte die Ballade „Es waren zwei Königskinder“ aus der Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“. Die Geschichte vom Tod zweier Liebenden wurde mit Lemmerichs Vortragskunst in ihrer ganzen Tragik nachvollziehbar.
Ein Jahrtausend Liebeslyrik wurde zeitlich begrenzt mit dem mittelhochdeutschen „under der linden an der heide“ von Walther von der Vogelweide und einem „Du bist min, ich bin din“ aus dem 13. Jahrhundert. In der Gegenwart endete es humorvoll mit Karl Valentin und zuletzt Heinz Erhardts berühmter „Made“.
Viel Beifall gab es für die kulinarische Lesung des Gemeindebücherei-Teams, die Appetit auf mehr machte.