„Ich hoffe, dass ich den Striese bis an mein Lebensende machen kann“, hat die großartige Schauspielerin Katharina Thalbach einmal gesagt. Sie meint die Rolle des Theaterdirektors Emanuel Striese in dem unverwüstlichen Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“, mit dem sie mit ihrem Ensemble am Dienstag im ausverkauften Theater gastierte.
Striese brennt für seine kleine Wanderbühne, sie ist sein ein und alles. Und schon drängen sich Ähnlichkeiten zwischen Striese und der Thalbach auf, die im Alter von 13 Jahren als Musterschülerin von Helene Weigel am Berliner Ensemble ihre Bühnenlaufbahn begann. „Für mich ist Arbeit Luxus, ich brauche kein Freizeitleben“, bekennt die Schauspielerin.
Und wenn Striese in seinem berühmten Monolog, einer großen Liebeserklärung an das Theater, auch die Nöte und Erschwernisse seiner Profession erwähnt, so gilt Ähnliches heute beim Tourneetheater: Oft zu kleine Bühnen, provisorische Garderoben, lange Autobusfahrten zwischen Bodensee und Flensburg, einfache Hotels. Aber auch das nehmen die Komödianten vom Berliner Kurfürstendamm in Kauf, sie haben ja die Theater-Power Thalbach in ihrer Mitte. Und dies gleich dreifach. Katharinas Tochter Anna Thalbach und deren Tochter Nelli stehen mit ihr auf der Bühne.
Kurz zur Handlung: Als Student hat Gymnasialprofessor Gollwitz eine Römertragödie geschrieben. Von dieser Jugendsünde weiß nur er allein, bis ihn Theaterdirektor Striese überredet, ihm das Stück für eine grandiose Aufführung zu überlassen. Gollwitz zögert, doch die Eitelkeit siegt, die Tragödie vom Raub der Sabinerinnen mit ihrem König Titus Tatius soll unter einem Pseudonym erscheinen. Doch das Inkognito von Gollwitz wackelt, eine Blamage, ein Theaterskandal drohen.
Katharina Thalbach führt Regie, und wie: Da wird jede Pointe sekundengenau und genüsslich serviert, mit jeder Slapstick-Nummer wird das Publikum überrascht und die Gags der Wort- und Situationskomik folgen Schlag auf Schlag. Dafür hat Thalbach Könner des Boulevards um sich geschart: Markus Völlenklee als zerstreuter Gollwitz, Sonja Hilberger (Frau Gollwitz), Anna und Nelli Thalbach (Gollwitzers Töchter), Richard Barenberg (Dr. Neumeister), Siegfried Kadow (Karl Gross), Ronny Miersch (sein Sohn) und Wenka von Mikulicz als Rosa. Großartig die Karaoke-Szene mit Nelli Thalbach und Ronny Miersch zu Mozarts „Reich mir die Hand mein Leben.“
Im Mittelpunkt aber steht Katharina Thalbach in einer Doppelrolle. Einmal als Theaterdirektor mit Schnurrbart und Watschelgang, einmal als seine Gattin Friederike, die, wie Striese sie lobt „das Kassenwesen besorgt, den Schauspielern die Haare brennt, in der Stadt die Requisiten zusammen borgt und abends die größten Rollen spielt. Trotz dieser Überbürdung hat sie im Laufe der Jahre noch Zeit gefunden, mich mit einer Schar lieblicher Kinder zu beschenken“. Beste Comedy ist die Probenszene, in der sich ein junger Römer vor der Frau Direktor als Virginia in den Staub wirft, um ihr seine Liebe zu gestehen. Zwischenapplaus.
Allein das große Reservoir ihrer mimischen Ausdrucksmöglichkeiten verblüfft, auch ihr oft clowneskes Spiel ist großes Theater. Dazu Katharina Thalbach: „Alles was ernst ist, hat komische Ecken und umgekehrt: Das Komische ist oft verdammt ernst. Das wussten schon Brecht, Heine und vor allem Shakespeare. Die unterhalten bestens und – drei Groschen – sehr billig, aber nicht dämlich.“
Zum Schluss noch ein Striese-Zitat zwischen Ernst und liebenswürdiger Schnoddrigkeit: „Alles was ich habe, habe ich dem Theater gegeben. Meinen Schädel habe ich der Requisitenkammer des Burgtheaters vermacht, damit der Hamlet nicht immer mit einem Pappkopp auftreten muss“. Begeisterter Schlussapplaus, Jubel und stehende Ovationen für die exzellenten Komödianten aus Berlin. Manfred Herker