Zum Artikel „Stadträte streiten um Neubaupläne“ (Ausgabe vom 24. Oktober) erreichte die Redaktion folgender Leserbrief.
Mit Entsetzen las ich die Bebauungspläne, die für die Westseite des Martin-Luther-Platzes vorgesehen sind. Wie ist es möglich, dass Stadträte einer Stadt, die seit über 40 Jahren das wunderbare Programm der Altstadtsanierung mit so viel Gespür und Professionalität durchführt, eine solch monströse Planung in Erwägung ziehen?
Monströs ist sie allein schon wegen einer Bauhöhe von vier bis fünf Geschossen, denn die Nachbarbauten sind dreigeschossig, und deren drittes Geschoss verläuft im Dachbereich. Man muss sich in Höhe der Dachgauben der Pfarrhäuser noch fünf Meter in der Höhe dazu denken, um sich eine fünfgeschossige Wand vorstellen zu können, und diese Wand wird sich vielfenstrig senkrecht hoch erheben an Stelle des zweigeschossigen Rückert-Baus.
Zu allem Überfluss soll dieser Neubau auch noch in den Platz hinein vorgeschoben werden, bis in den Bereich, in dem die Luther-Stele steht, war zu lesen. Abgesehen davon, dass damit der Platz verkleinert wird, wird der idyllische Ruheplatz mit den alten Bäumen vernichtet und die uralte, innerstädtische Nord-Süd-Verbindung nun endgültig verbaut werden.
Ursprünglich führte die Lange Zehntstraße aufwärts bis zum Kirchplatz, hat diesen gequert und setzte sich nach Norden fort – wie heute auch - zur Bauerngasse und zur Neuen Gasse. Nach dem Bau des Rückertbaus (1960 bis 62) war diese Verbindung wenigstens noch für Fußgänger erhalten, denn der Rückertbau hat die alte Bebauungsgrenze des Platzes respektiert, wenn auch der Oberlauf der Kirchgasse zerstört wurde. Die Geländestufe hat man damals durch einen Treppenweg überwunden. Dieser Treppenweg würde nun zugebaut. Kommt man dann von Norden auf den Martin-Luther-Platz, läuft man vor diesen Neubau, der dann auf einmal quer stehen wird.
Es ist widersinnig, den Zugang zu einem Platz, an dem viele Straßen zusammenlaufen, zu schließen. Die Erreichbarkeit der Johanniskirche und auch des geplanten Kulturforums wird von Südwesten her erschwert, und umgekehrt geht die schnellste Verbindung, mit der man zum Beispiel vom Parkhaus diese Teile der Kernstadt erreichen konnte, verloren.
Und in Bezug auf Ästhetik muss man einfach sagen, dass durch den Kahlschlag der Bäume und den viel zu umfangreichen Neubau der Martin-Luther-Platz unwiderruflich verschandelt würde.
Ist denn den Damen und Herren des Stadtrates nicht klar, welch ein Kleinod wir mit dem stillen und friedlichen Platz neben dem lebhaften Marktplatz in der Kernstadt haben? Dort singen in den Baum-kronen die Vögel, und im Frühsommer erfüllt der Duft blühender Linden den Platz an Stelle von Autoabgasen. Und der älteste Bau der Stadt, die über 800-jährige Johanniskirche, hat Raum.
In dem genannten Artikel ist sehr viel vom Geld die Rede. Ich wünschte mir bei der Planung von Neubauten mehr Respekt vor historischer Bausubstanz der Umgebung. Ist denn die abstruse Hässlichkeit des „Zement-Trums“ am Marienbach, das von der Stadt Anfang der 70er Jahre genehmigt wurde, nicht Warnung genug?
Wiltrud Wößner
97422 Schweinfurt