Zurm Thema "Willy Sachs" erreichte uns folgende Leserzuschrift:
Man wundert sich immer wieder, mit welcher Selbstgerechtigkeit heute Personen, ausgestattet mit der Gnade später Geburt, aufgewachsen in einer funktionierenden Demokratie und rundum abgesichert, durch den Rechtsstaat über das Verhalten von Persönlichkeiten während der Nazizeit urteilen. Das Naziregime war ja nicht nur ein Unrechtsstaat, sondern eine knallharte Diktatur, bei der jeder Widerspruch tödlich sein konnte.
In dieser Zeit übernahm Willy Sachs 1932 das Erbe seines genialen Vaters Ernst Sachs, die Fichtl und Sachs AG mit 7000 Mitarbeitern. Er war dieser Aufgabe nicht gewachsen und wollte trotzdem nicht einfach aufgeben. Er fühlte sich verantwortlich für diesen Betrieb mit den Mitarbeitern und ihren Familien. Ja, er war Nationalsozialist, ja, er freundete sich mit den Parteigrößen an, ja, er spendete große Summen an die Parteikasse. Er handelte, wie die meisten anderen Industrieführer auch, um ihren Betrieb weiterzubringen und die Arbeitsplätze zu sichern. Wobei allen das Schicksal eines mutigen Mannes vor Augen stand, der Widerstand leistete: Prof. Junkers, der geniale Flugzeugbauer.
Die Nazis machten kurzen Prozess: Er wurde enteignet, aus der Firma geworfen und unter Hausarrest gestellt. Von der Gestapo überwacht und schikaniert ist er 1937 als gebrochener Mann gestorben. Die Junkerswerke in Dessau wurden sofort als Rüstungsbetrieb unter neuer Leitung weitergeführt. In diesem Umfeld lebte und handelte Willy Sachs.
Gott sei Dank müssen wir uns heute nicht dieser Verantwortung stellen. Für seine Nazinähe wurde Willy Sachs nach Kriegsende von den Amerikanern zwei Jahre in Lagerhaft gehalten. In den nachfolgenden Spruchkammerverhandlungen wurde er als Mitläufer eingestuft, weil zahlreiche Zeugen ihn entlasteten. Mit fähigen Mitarbeitern baute er die zerstörte Firma wieder auf. Für seine sozialen Verdienste (Ernst-Sachshilfe etc.) wurde er 1957 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Willy Sachs ist mit den Herausforderungen seiner Zeit nie fertig geworden. Er schied freiwillig aus dem Leben. Bei seiner Beerdigung folgten 20 000 Schweinfurter seinem Sarg. Nicht nur in Schweinfurt ist der "Konsul" noch in guter Erinnerung. Bei einer Wanderung in den Oberaudorfer Bergen, rund um die Rechnau, dem Wohnsitz der Familie Sachs, findet man heute noch in vielen Almhütten ein Bild des "Konsuls" mit lustigen, liebevollen Geschichten über ihn und die Familie.
Natürlich wird es in Schweinfurt trotzdem weiter Nachgeborene geben, die solange ihren Kopf schütteln, bis sie ein Haar in der Suppe finden. Und so wird diese unwürdige Debatte über Ehrenbürgerschaft und Stadionumbenennung weitergehen. Mein langjähriger Aufsichtsratskollege in der Sachs AG, Adolf Ley, Betriebsratsvorsitzender der Sachs AG und Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, pflegte bei solchen Anlässen immer nur zu sagen: "Die haben ja keine Ahnung".
Hermann Himmer
83229 Aschau