Zur Diskussion um die Bahnstrecken- Stilllegung Schweinfurt –Kitzingen- Etwashausen erreichte uns folgender Leserbrief.
Als ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn habe ich die meiste Zeit meiner Dienstzeit auf den Bahnhöfen der Strecke Kitzingen-Etwashausen bis Schweinfurt-Sennfeld verbracht.
Drei Jahre habe ich mit meiner Familie im ehemaligen Bahnhofsgebäude in Gochsheim gelebt. Die Nebenbahnstrecke war eine sehr intensiv betrieblich genutzte Strecke mit täglich 48-50 Personenzügen in beide Richtungen und drei ausgelasteten Güterzügen. Noch 1970 an Pfingsten wurden am Bahnhof Gochsheim allein am Pfingstsonntag 70 Waggons mit Futterrübenpflanzen beladen und abtransportiert.
Bis zu dieser Zeit haben wir täglich zum Personenzug um 6.10 Uhr nach Schweinfurt über 120 einfache Fahrkarten zu 60 Pfennig das Stück nach Schweinfurt verkauft. Die Kunden standen oft Schlange bis zur Bahnhofsgaststätte. Der Güter-Frachtverkehr war sehr umfangreich da fast alle Firmen ihre Waren über den Bahnhof Gochsheim bezogen haben. Sehr früh schon konnten wir feststellen, dass die Bundesbahn die Strecke nicht mehr ordentlich unterhielt und auch keine Investitionen für die Zukunft unternahm.
Da die Bahnübergänge alle technisch gesichert werden mussten, wurden die Blinkanlagen beschafft und in der ehemaligen Güterhalle in Gochsheim gelagert. Dies geschah technisch in keiner Weise fürsorglich, und durch Schlamperei mit dem Verpackungsmaterial, wurden durch einen Brand die gelagerten Blinkanlagen fast vollständig zerstört. Es wurden dann neue Anlagen erworben und an der Strecke eingebaut.
Eine danach erfolgte Rentabilitätsberechnung bestätigte die gewünschte Unrentabilität, die zur Antragstellung für die Stilllegung führte. Es war eine bewusste Misswirtschaft, um dieses Ziel zu erreichen. Bei rechtzeitiger Modernisierung , auch mit dem Verkauf nicht mehr benötigter Bahnhofsgebäude und auch freigewordener Grundstücke und dem Abbau der nicht mehr benötigten Ladegleise, sowie die Aufstellung von kostengünstigen Wartehäuschen, hätte man mit geringen Kostenaufwand die Rentabilität der Strecke erreichen können. Dazu den technischen Anschluss an das Zentralstellwerk in Schweinfurt, um den Verkehr auf der Schiene über Fernsteuerung zu lenken.
Doch wo Bahnhöfe geschlossen und Schienen abgebaut werden, verlieren die Menschen den Anschluss. Für die Grünen gehört umweltfreundliche Mobilität dazu, so dass mit der Bahn jede Region in Deutschland wieder zuverlässig und regelmäßig erreichbar sein muss. Dafür sei eine Ausweitung des Schienenverkehrs nötig, die Reaktivierung stillgelegter Strecken und eine Vereinfachung des Bahnfahrens notwendig (Die Grünen in der Welt am Sonntag).
Ein Umdenken wird zwar immer wieder gefordert, aber nicht vollzogen. Der derzeitige ÖPNV ist undurchschaubar und nicht kundenfreundlich. Wenn die Oma verreisen will, zahlt sie lieber dem Enkel viel Geld, damit er sie mit dem Auto ans Ziel bringt. Die immer wieder geforderte Stilllegung der Strecke von den Gemeinderäten der Strecken-Anliegegemeinden ist kurzsichtig, ökonomisch Unsinn und in keiner Weise umweltgerecht.
Als Gochsheimer bin ich geneigt, den Altvorderen Respekt zu zollen, die bei der Errichtung der Bahnstrecke vorausschauend die Grundflächen zum Bau der Strecke auf Gemeindegrund kostenlos zur Verfügung stellten.
Leo Jäger
97469 Gochsheim