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Leserbrief: Fey war mehr als ein Mitläufer
Bearbeitet von Susanne Vankeirsbilck
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:54 Uhr

Zum Leserbrief "Ein rechtes Frankenkind" von Bernd Reinhard (vom 31. Dezember)  erreichte uns folgende Leserzuschrift:

Ich kann die von Bernd Reinhard geäußerte Ansicht nicht teilen, dass es "momentan landauf-landab üblich ist, die einst hochgerühmten Männer der NS-Zeit zu eliminieren". Es geht aus meiner Sicht nicht darum, diese Personen zu "eliminieren" (die Wortwahl finde ich heftig), sondern ihre Rolle und ihr Handeln in der damaligen Zeit anhand der Fakten, die sich finden lassen, einzuordnen.

Und was soll daran bedenklich sein, "mit den Maßstäben von Leuten" (welchen Leuten?) "nach 80 Jahren die geistige Einstellung und die praktische Umsetzung zu bewerten"? Ich denke, das ist genau unsere Aufgabe, diese Einstellungen und praktischen Umsetzungen zu bewerten, um aus der Geschichte zu lernen, um solche Entwicklungen, wie sie sich aus meiner Sicht in unserer Zeit wieder verstärkt zeigen, verhindern zu können.

Allerdings steht es uns, den "Nachgeborenen" gut an, Demut walten zu lassen: Niemand von uns weiß, wie sie/er sich damals verhalten hätte. Demut heißt nicht, die Geschehnisse von damals zu verharmlosen: Unrecht muss Unrecht genannt werden, das Leid von Krieg und Zerstörung, das bis heute nachwirkt, darf nicht vergessen werden. So wird zum Beispiel aus der Lebensgeschichte von Graf von Stauffenberg ersichtlich, dass er – wohl mit bedingt durch seinen familiären, adligen Hintergrund – der Weimarer Republik skeptisch gegenüberstand. Er war auch nie "begeisterter Nationalsozialist" – sonst wäre er in die NSDAP eingetreten, was er nie tat. Sein Leitbild waren die Gedanken des Dichters Stefan George, der von einem europäischen Großreich träumte.

Es ist auch historische Wahrheit, dass auch andere führende Köpfe in Kirche und Gesellschaft auf dem Hintergrund ihrer kritischen Einstellung zum Weimarer Staat Hitler positiv gegenüberstanden und ihn lange gewähren ließen, unter anderem die beiden großen Kirchen. Welche Rolle Papst Pius XII dabei spielte wird zur Zeit untersucht.

Historisch falsch ist Bernd Reinhards Feststellung, dass die Widerstandsbewegung "erst nach 1940 entstand, als die "Kundigen" es wagten, nach all dem Jubelrausch sich zu wehren". Schon im Mai 1934 grenzte sich die Bekennende Kirche von allen politischen Ideologien und staatlichen Totalitätsansprüchen ab des NS-Regimes ab (Barmer Theologische Erklärung) –  gegen die "Deutschen Christen".

Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 gründete sich eine ganze Reihe von Gruppierungen, die Widerstand leisteten, so zum Beispiel die "Eiserne Front". Dass es auch in Unterfranken eine Vielfalt des Widerstandes gab, belegt das Buch "Uns rufet die Stunde – Unterfrankens Katholiken im Widerstand" von Hans Kufner (Herausgeber). Was hat sie bewegt, der Fachkommission, die vom Würzburger Stadtrat beauftragt wurde, den Lebenslauf von Personen kritisch zu würdigen, "von denen anzunehmen ist, dass sie sich in der Nazi-Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen" zu unterstellen, dass sie unter "Waschzwang" stehe?

Aus dem Brief Bernd Reinhards ist kein Beleg ersichtlich, dass diese Kommission, der ausgewiesene Fachleute angehören, Fakten manipuliert hat. Was an Belegen in dem Bericht der oben angegebenen Expertenkommission angeführt wird, belegt aus meiner Sicht sehr klar, dass Nikolaus Fey mehr als Mitläufer war. Seine Mitwirkung bei den Bemühungen der Nationalsozialisten, "die kulturellen Traditionen des polnischen Volkes auszulöschen" als "schwer verdauliche Kost – aber aus der damaligen Zeit doch verständlich" zu bezeichnen, ist für mich eine Verharmlosung der Aktivitäten von Fey. Wo bleibt das Mitgefühl für die Opfer?

Fey war mehr als ein Mitläufer. Dies belegen die Ergebnisse der Fachkommission: "Der Umstand, dass sich Fey noch mit 61 Jahren für diese Aufgabe zur Verfügung stellte, wird als zusätzlich belastend angesehen, da deshalb nicht die Aussicht auf eine Verbesserung seiner Karriere oder die Befreiung vom Wehrdienst als Gründe für seine Übernahme dieser Aufgabe in Frage kommen konnten."

Abschließend: Es erschließt sich mir auch nicht, was an dem Bericht Bernd Reinhard zu der Frage bringt: "Werden die Werte Heimat, Landschaft, Sprache Mundart usw. auch eliminiert, mit der Absicht?" Ich kann Nikolaus Fey jedenfalls nicht als Vorbild sehen, und der historischen Wahrheit die Ehre zu geben, sehe ich auch nicht als eine Erscheinung des "Zeitgeistes."

Erhard Scholl, 97509 Gernach

 
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  • E. S.
    Da haben Sie sicher recht, dass es Grautöne gibt. Mir ist es aber wichtig, dass die Betonung der Grautöne auch das grau färben, was offensichtlich Unrecht war, und was die Diktatur gefördert und unterstützt hat - so etwa wenn Nikolaus Fey schon im September 1933 in der Lohrer Zeitung schreibt: "Und einen Namen wird es tragen (gemeint ist das Rauschen des Spessartwaldes, E.S.) jubelnd und stolz, den Namen des Erlösers und Befreiers, der die deutsche Seele wieder heimführte in das Reich der Ahnen, in die Feierlichkeit des Erlebens der Blutgemeinschaft, Würde und Größe, den Namen Hitlers. Heil Deiner Sendung, Volkserlöser" (Lohrer Zeitung,9.9.33) . Und ich finde es nicht fair, dass Sie denen, die sich um die historische Wahrheit streiten, Kleingeistigkeit, Unfähigkeit oder Aufgeblasenheit unterstellen. Wer streitet sich da mit wem - und worum ? Dazu sagen Sie nichts, Sie streuen in Ihrem letzten Satz nur diffuse Entwertung.
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  • M. S.
    Es gab sicher Bürger die sowohl der Naziideologie nahestanden und trotzdem auch nachhaltig gutes und schönes für die Gesellschaft geleistet haben.

    Da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß - da gibt es viele Grautöne dazwischen!

    Am Besten wäre es überhaupt keine Straßen mehr nach Personen zu benennen und keine Ehrenbürgerwürden mehr zu verleihen! Jene Personen die sie am meisten verdient haben sind auch gleichzeitig die, denen es im Grunde egal wäre ob eine Straße nach ihnen benannt ist oder nicht!

    Wer sich für das Wohl der Allgemeinschaft einsetzt oder sein Leben in den Dienst einer Wissenschaft gestellt hat, der hat gleichzeitig sein Ego oft auch hinter die Sache zurückgestellt. So jemand kann über eine Bennenung einer Straße nur milde lächeln.

    Streiten tun sich am Ende diejenigen die selbst weit davon entfernt sind, dass eine Straße nach ihnen benannt wird oder ihnen eine Ehrenbürgerwürde verliehen wird.
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