Selbst das kriegt er nicht hin. Zweimal schießt Wanja auf den Professor, der ihm das winzige Bisschen, was sein Lebenswerk ausmacht, einfach nehmen will. Zweimal schießt er vorbei und fällt auf den alten lethargischen Wanja zurück, der auf dem Gut der verstorbenen Schwester ein tristes Leben fristet.
Die Münchner Kammerspiele haben sich vor gut zwei Jahren Tschechows „Onkel Wanja“, der „Bilder aus dem Landleben“ angenommen (Karin Henkel/Johan Simons) und durch geschickte Reduktion und einem leichten Drall hin zur Parodie einen Abend geschaffen, der mitreißt, begeistert, auf das Beste unterhält. So geschehen auch im Schweinfurter Theater, wo die Aufführung am Donnerstag und Freitag zu sehen war.
Muriel Gerstner hat dafür einen schwarzen Guckkasten auf die Bühne gestellt, der die nicht nur räumliche und geistige Enge dieses abgelegenen Gutshofes symbolisiert, sondern den Akteuren auch kaum Raum lässt, nur die kleine Geste erlaubt, das Spiel aus dem Text heraus treibt.
Wanja (Benny Claessens), ein schmollendes, nölendes Riesenkind hockt in Socken meist am Rand der Bühne, lässt die Beine baumeln und hat allergrößte Mühe, will er sich einmal in Bewegung setzen. Mit der Bewegung haben sie alle Probleme. Der versoffene Arzt Astrow (Maximilian Simonischeck), der sich völlig heruntergekommen – verbeultes Sakko, fettiges Haar – kaum auf den Beinen halten kann oder der aufgeblasene, egomane und von der Gicht befallene Professor Serebrjakow (Stephan Bissmeier), der auf wirklich komische Weise durch den Abend stakst. Fahrig sind die Bewegungen Sonjas, eines blassen bebrillten Mauerblümchens im Sackkleid und unförmigen Stiefeln. Die junge Anna Drexler (die Rolle hat sie noch als Falckenberg-Schülerin übernommen) spielt großartig, nuancenreich, mit kleinsten Gesten, kurzen Einwürfen, die immer wieder Lacher provozieren. Völlig zu Recht ist sie für diese Leistung als „Schauspielerin des Jahres“ ausgezeichnet worden.
Von diesem grauen erstarrten Haufen, zu dem noch die Mutter der ersten Frau des Professors (Hans Kremer) und der tänzelnde und irgendwie unbelastete Telegin (Stefan Merki) gehören, hebt sich lediglich Jelena, die zweite Frau des Professors ab. Eine große, mit rotem Tüll und Strass gekleidete Erscheinung (Wiebke Puls), die in der Ehe enttäuscht, unterkühlt und ein wenig böse ihr Spiel mit Astrow und der in ihn so unheilvoll verliebten Sonja treibt.
Dieses Leben auf dem Lande, mit russischen Melodien von Polina Lapkovskaja und ihrer E-Gitarre grundiert, ist quälend langweilig, ohne Hoffnung auf Veränderung oder gar Verbesserung.
Fast quälend, aber keine Sekunde langweilig ist dieser Abend für die Zuschauer, bis es zum großen Auftritt Wanjas kommt, als der Professor, der sich inzwischen als Aufschneider entpuppt hat, den Verkauf des Gutes verkündet. Da wird Wanja laut, weil all das Arbeiten für Serebrjakow nichts gewesen sein soll, es keine Zukunft gibt. Und dann schießt er – vorbei.