
Vor gut zehn Jahren, 2009 noch, mussten sich in der Region Main-Rhön 4160 bei der Arbeitsagentur gemeldete Bewerber um einen Ausbildungsplatz um 3125 gemeldete Lehrstellen balgen. In dieser Zeit klagten nicht wenige Arbeitgeber gerne über mangelnde "Ausbildungsreife" vieler junger Bewerber. Deren Kritiker etwa aus Gewerkschaften sagten, die Chefs akzeptierten nur noch "Weltmeister" und Schulabgänger, die etwas weniger fit seien, aber entwicklungsfähig, bekämen keine Chance. Der Lehrstellenmarkt war jahrelang ein Arbeitgebermarkt.
Wie sich die Schere schließt
Die Schere schloss sich aber mit der Zeit. 2013 kreuzten sich die Stellen-Bewerber-Linien (siehe Grafik), und von Jahr zu Jahr öffnete sich die Schere nunmehr immer weiter zugunsten der Stellensuchenden. Ihre Zahl sank rapide auf derzeit unter 3000 - die Zahl der Lehrstellen aber stieg über 4300. Nun hatten die jungen Leute, die meisten von ihnen Abgänger aus den Mittelschulen, die Wahl unter Berufen und Betrieben. "Der Ausbildungsmarkt der Region ist seit 2014 aus Sicht der Jugendlichen ein Bewerbermarkt", heißt es im aktuellen Bericht der Arbeitsagentur Schweinfurt. Am Montag wurde er vorgestellt.

Laut Arbeitsagenturchef Thomas Stelzer sind die Prognosen zur demografischen Entwicklung eindeutig. Die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt werde sich weiter verschärfen. Betriebe sollten "jede sich noch bietende Gelegenheit auszubilden nutzen, um zukünftig ihre benötigten Fachkräfte zu sichern". Doch auch die Bewerber sollten sich nur auf einen Wunschberuf fixieren. Mit etwas Flexibilität bei der Berufswahl und regionaler Mobilität seien die Chancen auf eine Ausbildungsstelle auch für schwächere Bewerber so gut wie noch nie. Selbst dieses Jahr, wo die Stellenzahl erstmals leicht zurückgegangen ist – sehr leicht. Sie liegt immer noch bei 4286.
Weitere Schulausbildung
Dass für die Betriebe der Region immer schwieriger wird, Nachwuchs zu rekrutieren, liegt laut Stelzer nicht nur am demografischen Wandel. Gleichzeitig halte die Tendenz bei Schulabgängern an, statt in die Berufsausbildung auf weiterführende Schulen zu gehen. So werde das Azubi-Angebot für Betriebe weiter verknappt. Doch zwei Drittel der knapp 3000 Bewerber haben 2018/19 eine Berufsausbildung aufgenommen. Knapp 20 Prozent entschieden sich für Schule, Studium oder Praktikum, vier Prozent für eine Arbeitsstelle, drei Prozent sind in Berufsvorbereitung und von sieben Prozent weiß die Arbeitsagentur nichts über deren Verbleib. Sie müssen sich dazu ja nicht erklären.
Zwischen Stellenangebot und Nachfrage ist in etlichen Berufsbereichen eine enorme Kluft. Im Hochbau etwa treffen 166 Angebote auf nur 26 Bewerber, der Gastronomiesektor bietet 56 Stellen und vier Jugendliche interessieren sich dafür. Maler und Lackierer bieten 151 Ausbildungsplätze - nur 31 Jugendliche bewerben sich darauf. In begehrten Berufsbereichen ist es umgekehrt: 192 Bewerber möchten Industriekaufleute werden - bei 102 gemeldeten Stellen. Für Softwareentwicklung interessieren sich 68 junge Menschen, aber nur 34 Stellen sind bei der Arbeitsagentur gemeldet.
Was Männer und Frauen wollen
Dann stützt die aktuelle Statistik die Erkenntnis aus den letzten Jahren: Männer zieht es weiter in typische Männerberufe und Frauen in "Frauenberufe". Die Top 3 bei den Männerwünschen sind Industriemechaniker (200), Kfz-Mechatroniker (120) und Verkäufer (81). Bei den Frauen führt die Medizinische Fachangestellte (148) die Wunschliste an, gefolgt von der Industriekauffrau (113) und der Kauffrau-Büromanagement (97).
Mit einer Reihe von Maßnahmen etwa zur Berufsvorbereitung, mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, Einstiegsqualifizierung oder assistierter Ausbildung unterstützt die Arbeitsagentur der Region die Betriebe und Bewerber in der Vorbereitung und Begleitung einer erfolgreichen Berufsausbildung, wie Christine Pfenningsdorf, Teamleiterin Berufsausbildung, erläuterte. Rund fünf Millionen Euro habe die Arbeitsagentur dafür im vergangenen Ausbildungsjahr investiert.
Es bleibt beim Bewerbermarkt
Und wie geht's weiter? Stelter erwartet, dass bezüglich die Berufsausbildungsstellen auch in naher Zukunft ein Bewerbermarkt bleiben. Der regionale Arbeitsmarkt werde schwieriger, was die verstärkte Kurzarbeit in den gewerblichen Industriebetrieben zeige. Darin könne auch eine Chance fürs Handwerk liegen.