
"Da unten liegt ein Bierfass, das undicht ist." Davon hat die kleine Tochter eines Gemeinderats gehört, der die Schonunger Feuerwehr "in Aktion" besucht – an der Pumpstation am Main. Ganz so schlimm ist das Schreckensszenario nicht: Der Einsatz ist nur eine Übung. Hantiert wird im schweren, gasdichten CSA, dem Chemikalienschutzanzug, der sich komplett über einem Atemschutzgeräteträger wölbt, Modell Plastikburka.

Tief unten im Keller wurde ein Chemieunfall inszeniert: Ein rotes Fass voller Schwefelsäure ist aufgeplatzt, die gelbliche Substanz vermischt sich mit dem Inhalt einer auslaufenden Tonne voller Pestizid. "In echt würden wir so etwas nicht bei uns lagern", sagt Abwassertechniker (und Feuerwehrmann) Bastian Herbig, der die Fässer drapiert hat. "Schon gar nicht nebeneinander." So ist es nur Lebensmittel-Farbe, die über den Boden schwappt, allerdings in rauen Mengen. Ein Arbeiter ist in den hochgiftigen Dämpfen kollabiert, so die Annahme, und liegt zwischen den Rohrleitungen.
In drei Zweier-Teams sollen sich die Feuerwehrleute nacheinander in die Tiefen der Pumpstation vorarbeiten: eine CSA-Übung jährlich ist Pflicht. Ein Großteil der 30 Schonunger Geräteträger hat das Zusatzmodul zur Atemschutz-Ausbildung absolviert. Die acht einsatzfähigen, leichten und schweren CSAs, die dem Landkreis gehören, liegen plombiert im Rüstwagen. Es geht ums sichere Hantieren mit chemischen, biologischen oder atomaren Stoffen. Trainiert wird in vier ausgemusterten "Raumanzügen", mit zerkratzten Sichtfenstern und dem einen oder anderen Riss. Auf mechanische Beständigkeit wird beim mobilen Ein-Mann-Zelt weniger Wert gelegt als auf Widerstandsfähigkeit gegen Säure, Bakterien, Hitze und (chemische) Kälte.

Erst wird der Patient auf die Bahre gehievt, dargestellt von Feuerwehrmann Lukas Zier. Ein zweiter Trupp stellt dann die Gefahrgut-Klassen fest und dichtet die Fässer mit Spezialmasse ab. Dann werden die Tonnen die steilen Treppen hinaufgeschleppt. Eine schweißtreibende, kraftzehrende Arbeit. Durch die Ausatemluft herrscht im prall aufgeblasenen Anzug schnell feuchtwarmes Tropenklima. Die Pumpen dröhnen derweil weiter, so dass Verständigung ohne Funk nicht möglich ist. Dazu muss die Hand aus dem Kunststoff-Ärmel gezogen werden. Gäbe es keine Helfer, hätte der Anzugträger ein Problem. "Man kommt nur mit dem Messer raus", meint Pressesprecher Simon Scheuring. Über Ventil-Hörner am Kopf wird der Druck reguliert. An einer Engstelle reicht es, in die Knie zu gehen, um Luft abzulassen, zwecks Verschlankung.
Besser zuviel als zu wenig Schutzkleidung
Der havarierte Tankwagen mit unklaren Substanzen ist längst ein Klassiker, auch auf der Landstraße. Schon auslaufendes Öl kann einen Feuerwehrler in den CSA zwingen. Es gilt die Regel: besser zuviel als zu wenig Schutzschichten zwischen Gefahrstoff und eigener Haut. Das neue HLF 20, das die Schonunger Feuerwehr demnächst erhalten soll, wird ein weiteres Tablet mit einer Gefahrgut-App erhalten, zusätzlich zum bereits vorhandenen. "Es wird nicht einfacher", sagt Christian Link zu den Risiken einer Welt voller Kunststoffe. Zusammen mit Daniel Schneider-Ludorff ist er Schonunger Fachmann für Gefahrgut-Einsätze.

Ein neues heißes Eisen sind brennende Motoren von Elektroautos. Gerät eine Batterie in Vollbrand, entzünden sich ihre Zellen fortlaufend gegenseitig, mitunter tagelang. Die Stromzufuhr muss schnellstmöglich unterbrochen werden. Dazu kommt der Austritt von aggressiven Chemikalien: ein Fall für den (leichten) CSA. Experimentiert wird mit Wannen oder Containern, in die das Autowrack gehoben oder gezogen und dann abtransportiert wird. Erst vor wenigen Tagen kam ein solcher "Abrollbehälter E-Brand" bei einem Autounfall in Österreich zum Einsatz. Diese Badewanne zur Kühlung der Elektroautos wird mit Wasser geflutet. "Anders geht es derzeit nicht", so Link. Die Stadtfeuerwehr habe so eine Mulde, noch fehle es allerdings an Erfahrungswerten.
Bei einem Standard-Einsatz steht am Ende der Feuerwehrmann, nicht das E-Auto, in der Wanne, zwecks Dekontaminierung – falls der Bergrheinfelder Teil des ABC-Zugs nicht mit Zelt vor Ort wäre. Fürs Öffnen des CSA-Reißverschlusses und fürs anschließende Abpellen des "Michelinmännchens" in der Sperrzone gibt es eigene Regeln: ein sogenannter Schmutz- oder Schwarzmann fasst den Anzug außen an, ein Sauber- oder Weißmann innen. Im Ernstfall kämen verseuchte Anzüge ins AKW Grafenrheinfeld zur Reinigung. Übungsleiter Jochen Mai ist bei der Manöverkritik zufrieden: "Das Wichtigste ist, das Ding wieder mal angehabt zu haben."