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Schweinfurt
Leben ohne Drogen:Sucht hat immer mit Verletzungen zu tun
Schritte in ein selbstbestimmtes Leben:  In der Rittergasse bietet "Condrobs e.V." ambulante Hilfe nach einer Drogen-Therapie an.
Bereit, den Buddha wieder auf die Beine zu stellen: Beim Schweinfurter Verein "Condrobs" kämpfen Frederik Stauss, Sunny und Ralph Nebl gegen den Rückfall von therapierten Suchtkranken.
Foto: Uwe Eichler | Bereit, den Buddha wieder auf die Beine zu stellen: Beim Schweinfurter Verein "Condrobs" kämpfen Frederik Stauss, Sunny und Ralph Nebl gegen den Rückfall von therapierten Suchtkranken.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 22.11.2020 02:15 Uhr

Man fühlt sich nicht unbedingt an den "Bahnhof Zoo" erinnert, im Zürch. Die Räume des Vereins Condrobs, der (therapierten) Drogen- und Suchtkranken "betreutes Wohnen" anbietet, sind hell, freundlich und bunt. Es gibt schlechtere Adressen in der Innenstadt als die Rittergasse 10, ein ehemaliges Planungsbüro.

Als erstes begrüßt Therapie-Hündin Sunny den Besucher und zeigt Kunststückchen. Dann gibt es erstmal Koffein für den Reporter. An der Kaffeemaschine steht Ralph Nebl, der als Heilpädagoge und Musiktherapeut das Projekt leitet. Seit fast fünf Jahren besteht der Schweinfurter Ableger von Condrobs schon, benannt nach der "Drogenberatungsstelle Konradstraße" in München. 1971 wurde der Verein dort als Selbsthilfegruppe von Eltern drogenabhängiger Kinder gegründet. Mit in der Rittergasse dabei sind die Pädagogen Daniela Rupprecht sowie Frederik Stauss.

Beim Thema Opiate gilt Schweinfurt als "hartes Pflaster"

Zum Team gehören auch ehrenamtliche Bürgerhelfer. Aktuell werden 16 Personen betreut, die mindestens 21 Jahre alt sind. Manche sind auf Substitutionen angewiesen, sprich Ersatzstoffe, in einer Stadt, die in Sachen Opiate bei Fachleuten durchaus als "hartes Pflaster" gilt. "Sie haben gelernt, dass sie nichts wert sind", sagt das Trio über ihre Schützlinge, die oft einen Teufelskreis aus Sucht, Angst, Depression, Einsamkeit und Erwerbsunfähigkeit hinter sich haben. Das betreute Wohnen wird vom Bezirk Unterfranken finanziert, der nach einer Therapie Nachsorge und "Eingliederung" unterstützt, im Kampf gegen den Rückfall.

Im Durchschnitt werden zwei Wochenstunden ambulante Hilfe zuhause und zwei Stunden Betreuung im Gesprächsraum angeboten, ohne exakten Blick auf die Uhr.  Diskretion wird groß geschrieben. "Schweinfurt ist klein, jeder kennt jeden", sagt Nebl. Durch Claudia Nembach ist er zum Verein gekommen, die in Würzburg Kontaktcafé und betreutes Wohnen leitet. Die Condrobs-Leute fühlen sich für "Normalisierung" verantwortlich. Die Normalisierung von individuellen Leben, die früh in Unordnung geraten sind. "Sucht", das klingt nach menschlichem Totalversagen. Aber schon der Begriff ist schwimmend, in einer Welt akzeptierter Genussgifte, wo auch die Erfolgreichen gerne mal zu Wundermittelchen greifen.  Bei der Jugend sind synthetische Partydrogen auf dem Vormarsch, dazu kommen Klassiker wie Alkohol und Cannabis, oder die Spielsucht.

Es gehe um "Alltagsfähigkeit", sagt Daniela Rupprecht, um Behördengänge, Unterstützung auf Arbeitssuche, Motivation und "Hilfe zur Selbsthilfe". Schon Gassigehen mit Sunny bringe Struktur in den Tag. An den Wänden sind die bunten Ergebnisse der Maltherapie zu sehen, ein Buddha etwa, der auf eigenen Beinen steht, ein Drache oder farbenfrohe Blumen.

"Das bin ja ich": Diese Erkenntnis soll den KünstlerInnen Selbstwertgefühl geben, die meist um die 30 Jahre alt sind,  harte Erfahrungen hinter sich haben - und entsprechend bereit sind, daraus die Konsequenzen für ihr Leben zu ziehen. Anders als mancher Teenager, der glaubt, das mit dem ständigen Joint oder dem Griff zum Hochprozentigen im Griff zu haben. "Sucht geht immer mit anderen Verletzungen einher", weiß  Sozialpädagogin Claudia Nembach, die für Condrobs den Bezirk Unterfranken betreut. Auch in wohlhabenden Familien würden Kinder häufig mit Konsum ruhig gestellt und blieben ansonsten sich selbst überlassen. Nicht jeder kiffende Heranwachsende sei schon auf dem Weg in den Drogensumpf. Problematisch werde es, wenn plötzlich jedes Maß und soziale Kontakte verloren gehen, sagt die Expertin: "Rückzug ist ein schlechtes Anzeichen."

"Kiffen" war die Einstiegsdroge

"Ich hatte sehr früh Kontakt mit Drogen und Alkohol", berichtet eine junge Klientin des Schweinfurter Vereins, die Maria genannt werden möchte. Mit 13 ging es los, auch für sie war exzessives "Kiffen" die Einstiegsdroge, später kam Medikamentenmissbrauch dazu: "Ich hab das unterschätzt". Mit 18 dann der Rauswurf aus dem Elternhaus. In der Clique sei viel geklaut und Geld abgezockt worden.

Auch der damalige Freund war Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Es folgte der rapide Abstieg - im Beruf und in die Depression. Schließlich zog Maria die Reißleine, begann eine Therapie in Lauf. Jetzt, mit 35, hat sie eine Wohnung in Schweinfurt, eine Erwerbsminderungsrente und einen 450-Euro Job als Küchenhilfe. Condrobs gebe einem das Gefühl, wieder auf Augenhöhe zu sein, lobt Maria. Und das vor allem dank der persönlichen Bezugspersonen: "Sie sind da, wenn es einem schlecht geht."

 
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