Grablichter vor dem Landratsamt, Überstunden in den Amtsstuben, ein über Wochen verwaistes Impfzentrum. Die Eindrücke der Corona-Pandemie sind auch für Landrat Florian Töpper vielfältig. Besondere Verantwortung hat er, weil im Landratsamt das Gesundheitsamt angesiedelt ist, deren Mitarbeiter sich direkt mit der Corona-Krise auseinandersetzen müssen.
Florian Töpper: Es prägt immer noch den Alltag im Landratsamt. Eine Bilanz zum jetzigen Zeitpunkt zu ziehen, wäre verfrüht. Trotzdem ist es mir wichtig zu sagen, dass wir als Land und als Region Schweinfurt auf einem recht guten Weg sind. Ich habe ein Interview mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gelesen, in dem er etwas pathetisch, aber zu Recht die Frage aufwirft, warum wir nicht von einem Impfwunder sprechen, angesichts der Tatsache, dass wir jetzt schon über verschiedene Vakzine verfügen. Wenn ich mich zurückversetze in den März 2020, glaube ich, dass die Perspektive gut ist, zu einem normalen Leben zurückzukehren. Aber wir brauchen noch viel Geduld.
Töpper: Maximale Sorgfalt ist letztlich für mich die Richtschnur, die den privaten wie beruflichen Umgang mit Corona verbindet. Es fehlen natürlich auch mir die „echten“ Begegnungen mit Freunden und Bekannten. Insofern versucht man, sich mit den digitalen Medien zu behelfen. Es kann aber nicht das ersetzen, worauf wir als Gesellschaft gerade angestrengt hinarbeiten.
Töpper: Ich beginne mit etwas Positivem: Ich finde es toll, wie viele Bürgerinnen und Bürger tatsächlich mitziehen. Die momentanen Infektionswerte kommen nicht von ungefähr, sie sind Ergebnis des Umstands, dass eine übergroße Mehrheit hinter den Maßnahmen steht, sich zu ihnen bekennt und sie befolgt. Ich habe Verständnis für gewisse Gereiztheiten. Ich sage bewusst, nur für gewisse. Für Systemkritik, wie wir sie zum Teil erleben, habe ich kein Verständnis. Wir leben in einem demokratisch regierten Land, in dem Diskussionen nicht nur toleriert werden, sondern erwünscht sind. Ich verstehe die Fragen nach der Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen und erlebe Politikerinnen und Politiker aller Ebenen, die Antworten geben wollen und in der Regel auch können. Natürlich gibt es besondere Betroffenheiten. Wenn Angehörige in Pflegeheimen sind und über viele Wochen keinen Besuch empfangen können zum Beispiel. Über diese Härten muss diskutiert werden, diese Härten müssen auch gesehen und gewürdigt werden. Und hier habe ich auch Verständnis für Emotionalität. Das muss Politik aushalten können. Aber wo waren wir vor knapp zwölf Monaten? Ich habe noch einige Gespräche von damals in den Knochen über Szenarien, die zum Glück nicht zum Tragen gekommen sind. Es besteht Grund zur Zuversicht, es geht in die richtige Richtung.
Töpper: Es kommen E-Mails an und besondere Botschaften wie Grablichter, die wir vor dem Landratsamt vorgefunden haben. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich nehme das auch ernst. Es gibt Menschen, die mit Argumenten schwer zu erreichen sind. Auch krude Überzeugungen können in einer freiheitlichen Grundordnung im Rahmen der Gesetze geäußert werden. Aber es hat Situationen hier im Amt gegeben, nach denen wir Strafanzeige gestellt haben. Das sind jedoch zum Glück Ausnahmeerscheinungen.
Töpper: Da sind wir wieder bei Kretschmann. Wir können froh sein über die zur Verfügung stehenden Impfstoffe. Man hätte allerdings zu Beginn deutlicher sagen müssen, dass es dauern wird. Die Erwartungen an die Schnelligkeit der Impfkampagne wurden vor Weihnachten zu hoch geschraubt. Gelungene Kommunikation ist ein hohes Gut, und alle politisch Verantwortlichen müssen daran arbeiten, möglichst wenig Frustrationsmomente entstehen zu lassen. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass wir trotz der Impfstoffknappheit nun die Erstimpfungen in den Pflegeheimen und Einrichtungen abschließen konnten, bei sehr ordentlichen Impfquoten. Dort waren ja die erschreckendsten Infektionsgeschehen mit vielen Todesfällen, die mich persönlich auch sehr berührt haben. Die ersten Termine für das Impfzentrum in Schweinfurt sind für den 15. Februar vorgesehen.
Töpper: Mit dem Begriff „stolz“ bin ich vorsichtig, aber hier verwende ich ihn ganz bewusst: Ich bin stolz, wie sich das Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis in den vergangenen elf Monaten bewährt hat. Es ist jetzt deutlich geworden, wie wesentlich Gesundheitsämter sind – nicht nur bei der Pandemiebekämpfung. Es ist uns gelungen, durch große Unterstützung aus dem ganzen Landratsamt, der Stadt Schweinfurt, anderen Behörden und der Bundeswehr sehr schnell sehr schlagkräftig zu werden. In der Nachverfolgung von Infektionsketten, aber auch bei den notwendigen Entscheidungen. Ich bin dem kommissarischen Leiter Matthias Gehrig für seine fachliche wie menschliche Führung des Gesundheitsamts sehr dankbar. Die Belastungen waren streckenweise enorm. Viele Kolleginnen und Kollegen hatten über Wochen zwei Funktionsämter auszuüben. Und wer in ein anderes Ressort abgeordnet wird, fehlt an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz. Das Landratsamt insgesamt hat eine hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit gezeigt und ich erhalte viele positive Rückmeldungen aus der Bürgerschaft und auch aus Unternehmen. Zum ganzen Bild gehört aber auch, dass es Momente gab, in denen wir nicht so genau wussten, wie es angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens weitergehen soll. Heute ist die Lage gut im Griff und stemmbar, bleibt aber herausfordernd.
Töpper: Was die wirtschaftliche Situation angeht, kommen keine einfacheren Jahre auf uns zu. Die "zweite Welle" hat sicherlich manche Ernüchterung mit sich gebracht. Aber ich nehme keine Verzagtheit wahr. Sicher gibt es auch in ökonomischer Hinsicht besondere Härten: Friseure werden da zurecht erwähnt ebenso wie Kulturschaffende. Das besorgt auch mich. Was die Gewerbesteuer angeht, die via Kreisumlage großen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landkreises hat, helfen zunächst die Ausgleichszahlungen von Bund und Land, von denen wir aber nicht wissen, ob sie in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Bei mir dominiert gleichwohl der Optimismus, weil ich merke, wie viel Kraft und Resilienz in unseren Wirtschaftsstrukturen vorhanden sind. Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmen darauf warten, wieder loslegen zu können.
Töpper: In die Glaskugel kann niemand schauen und wir sind zu finanzieller Vorsicht verpflichtet. Aber wir stehen nicht am Abgrund. Auch nicht als Volkswirtschaft insgesamt. Laufende Projekte sind nicht gefährdet. Der Landkreis verfügt über eine gute Rücklagensituation, eine niedrige Schuldenlast, wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt und wir weisen eine rekordverdächtig niedrige Kreisumlage auf. Im baulichen Bereich setzen wir unseren strukturierten und nachhaltigen Kurs fort. Nach dem Neubau des Beruflichen Schulzentrums stehen große Maßnahmen an der Heideschule in Schwebheim und an der Realschule Schonungen bevor. Und weiter geht es auch im Bereich der Entwicklung der Conn-Barracks. Es wäre fehlerhaft, die Dynamik aus einem Prozess herauszunehmen, der für dauerhafte wirtschaftliche Stärke sorgen und den Unternehmen Entfaltungsmöglichkeiten in der Region garantieren soll. Auch wenn dieses Wort nicht gelitten ist: Für mich ist das alternativlos. Was sollen wir denn sonst mit 200 Hektar Fläche vor den Toren Schweinfurts machen? Sie müssen zielgerichtet und mit Bedacht zugleich als Gewerbegebiet vermarktet werden.
Töpper: Wir haben die Mobilitätswende vor uns. Im jüngsten Kreisentwicklungsausschuss haben alle Fraktionen das neue Konzept gelobt, das den Nahverkehr in allen Teilen unseres Landkreises zum Besseren verändern wird. In Sachen Conn Barracks erwarten wir 2021 die rechtsverbindliche Zusage des Freistaats, dass über 2025 hinaus eine Teilnutzung als Ankerzentrum nicht mehr vorgesehen ist. Hier arbeiten wir mit Bürgermeisterin Bettina Bärmann (Niederwerrn) und Bürgermeister Thomas Hemmerich (Geldersheim) sehr gut zusammen, damit wir so bald wie möglich in die Vermarktung einsteigen können. Der Bedarf ist vorhanden. Das sind zwei Themenfelder, worin sich aber unsere Aktivitäten nicht erschöpfen.
Töpper: Die Pandemie hat gezeigt, dass wir schon gut unterwegs gewesen sind. Wir haben den Bereich IT bereits in der vergangenen Wahlperiode massiv gestärkt. Das Landratsamt und die Leitungen der Landkreis-Schulen arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen. Das hat es uns ermöglicht, schnell zu reagieren und pandemiebedingt nachzulegen, die Förderprogramme umzusetzen für Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler und auch das Thema Lehrerdienstgeräte anzugehen. Alles steht und fällt aber natürlich mit der Motivation der Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt der Eltern, sich auf die neuen Unterrichtsformate einzulassen. Daher ist das Signal für die Schulfamilien wichtig: Am Landkreis scheitert nichts. Wir sind willens und in der Lage, die bestmögliche Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
Töpper: Diese Themen sind wichtig, zwar nur freiwillige Aufgaben eines Landkreises, aber solche, denen wir uns widmen sollten. Ich gebe zu, dass wir dafür noch keine Zeit gefunden haben. Maßgeblich ist dabei nicht nur mein Alltag, sondern der der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Amt. Über den Jugendkreistag habe ich schon mit dem Vorsitzenden des Kreisjugendrings kommuniziert. Mein Ziel ist es, dass junge Menschen, die weiter weg sind von eingefahrenen politischen Strukturen, zu politischem Engagement kommen und ihre Anliegen zum Ausdruck bringen. Wir leben in politisch sehr bewegten Zeiten, in denen wir neue Formate der Teilhabe anbieten, aber keinesfalls vorgeben sollten. Aber das setzt ein persönliches Zusammenkommen voraus. Dies jetzt digital zu beginnen, halte ich für ein schwieriges Unterfangen. Beim Thema Pflege habe ich mir vorgenommen, noch mehr auf die Defizite der vorhandenen Angebote zu blicken. Wir haben zusammen mit der Stadt die Gesundheitsregion aufgelegt, die erfolgreich arbeitet, auch wenn es Beeinträchtigungen durch die Pandemie gegeben hat. Bei der Hebammenförderung haben wir schon gute Ergebnisse vorzuweisen, im Bereich Landärzte sind wir auf einem guten Weg. Das Thema Pflege ist alles andere als vergessen, dafür hätte es Corona nicht gebraucht. Es muss verstärkt auch darum gehen, Pflegende zu entlasten. Und die Pandemie hat begonnen, als der Wahlkampf zu Ende war. Das muss man auch dazusagen.
Töpper: Mir ist wichtig, dass es keine Frontstellung zwischen der "bunten Mehrheit" und der CSU gibt. Wir hatten einige Entscheidungen, bei denen die "Bunten" ihre Mehrheit zum Tragen gebracht haben. Das waren aber – wie beispielsweise bei der Ehrungssatzung – Themen, die man so und so sehen kann. Ich bin froh, dass ich ein mehr als solides Verhältnis zur CSU-Fraktionsvorsitzenden Gabriele Jakob habe. Ebenso froh bin ich über die Konstellation meiner Stellvertreterriege mit Bettina Bärmann, Christine Bender und Thomas Vizl. Ich bin überzeugt, dass der jetzige Kreistag unter den Bedingungen, unter denen er bisher zusammenkommen konnte, gut zusammengefunden hat. Die – weiterhin analog stattfindenden – Sitzungen mit den Fraktionsvorsitzenden sind für mich Beweis, dass die überwiegende Mehrheit im Kreistag an einer sachbezogenen Politik interessiert ist. Und ja: Wir haben andere Mehrheitsverhältnisse. Das hat Dinge verändert. Auch für mich zum Leichteren. Das ändert aber nichts an meinem Anspruch an mich selbst, nämlich zu integrieren und, wann immer es geht, zu breit getragenen Lösungen zu gelangen.
Töpper: Wir haben uns in den vergangenen Jahren erfolgreich dafür eingesetzt, das Thema in sachlicher Atmosphäre einer Lösung zuzuführen. Sie wird maßgeblich davon abhängen, was ein Gutachten erbringt, von dem ich in der Zeitung gelesen habe, dass es jetzt fertig ist, und auf das ich mit großer Spannung warte. Am Ergebnis wird sich weisen, ob die Steigerwaldbahn eine Chance hat, in das ÖPNV-Konzept des Landkreises eingefügt zu werden. Ich habe immer gesagt, dass diese Schiene eine Chance verdient, aber ich kann auch nicht ignorieren, wie es in anderen Landstrichen Bayerns aussieht, wie Förderkulissen sind, wie sich Erwartungshaltungen von übergeordneten politischen Ebenen darstellen. Ich habe ein großes Interesse daran, dass der Prozess für alle Anrainergemeinden ein Ergebnis bringt, mit dem sie leben können.
Töpper: Unbedingt. Diese Zeit wird wie kaum eine andere für meine berufliche Biographie prägend sein. Sie hat mich darin bestärkt, in diesem Amt und mit diesen Menschen gerne und hart zusammenzuarbeiten. Und im Februar 2022 wird Corona ohnehin nicht "vorbei" sein. Ich hoffe, dass wir dann geimpft sind. Ich hoffe, dass wir dann vergleichsweise gut durch diese heftigen Monate gekommen sein werden. Corona hat Spuren hinterlassen – in Familien, in unserem gesellschaftlichen Leben. Alles wieder zum Guten zu wenden, wird viel Kraft verlangen. Die Kommunalpolitik – gemeint sind alle im Ehren- und Hauptamt – sollte dabei ihre Rolle nicht unterschätzen. Im Rückblick werden manche Momente besonders haften bleiben, die hoffentlich niemals wieder so eintreten werden: Etwa als wir die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren mobilisiert haben, um die erste Ausgangssperre zu verkünden. Diese Eindrücke sollten uns auch im Bewusstsein bleiben, weil sie deutlich machen, wie verletzlich vieles ist und wie wenig selbstverständlich. Etwas Demut wird uns Corona immer abverlangen.