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SCHONUNGEN
„Lady Gethin“ klappt wie am Schnürchen
Pfarrer Marcus Döbert übt regelmäßig mit seinem Coriveehen-Ensemble im evangelischen Gemeindehaus.
Foto: Daniela Schneider | Pfarrer Marcus Döbert übt regelmäßig mit seinem Coriveehen-Ensemble im evangelischen Gemeindehaus.
Von unserer Mitarbeiterin Daniela Schneider
 |  aktualisiert: 04.03.2016 03:45 Uhr

Durch das evangelische Gemeindehaus fluten zauberhafte Klänge voller Poesie. Zwölf Frauen zupfen konzentriert die Saiten ihrer Veeh-Harfen. Die Musik ist märchenhaft und hat trotz der akustisch bedingten Verwechslung mit dem gleichklingenden Märchenwesen nichts zu tun. Vielmehr ist die Entstehung der Veeh-Harfe eine Geschichte, die das wirkliche Leben schrieb.

Das Zupfinstrument hat Landwirt Hermann Veeh im unterfränkischen Gülchsheim vor gut 25 Jahren für seinen Sohn Andreas entwickelt. Der Junge, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, liebte die Musik, doch ein Instrument zu lernen, schien schlicht unerreichbar. Inspiriert von den musikalischen Möglichkeiten seines Sohnes, entwarf Veeh ein einfach zu handhabendes Zupfinstrument, das ohne Notenkenntnis – ähnlich der Zither – mit Notenschablonen gespielt werden kann. Einzige Voraussetzung: ein natürliches Gespür für Rhythmus und Takt.

Zufall und Glück haben die Veeh-Harfe nun in Schonungen etabliert: Pfarrer Marcus Döbert ist als engagierter Seelsorger seit jeher von der wirkungsvollen Kraft der Musik überzeugt, und so war es vor vielen Jahren glückliche Fügung, dass er im Evangelischen Bildungszentrum in Hesselberg auf Hermann Veeh traf. Dieser gab dem damaligen Studienleiter eine seiner Harfen als Dauerleihgabe und ebnete so quasi den Weg für die Verbreitung dieses schönen Instrumentes im Schweinfurter Raum.

Inzwischen ist Döbert ein höchst versierter Veeh-Harfenist, transkribiert viele Stücke für die Veeh-Harfe und spielt als einer der wenigen Musiker überhaupt das Saitenzupfinstrument mit allen zehn Fingern.

Seit 2012 ist Döbert als Pfarrer in Schonungen tätig. Sein Veeh-Harfen-Schnupperkurs im Herbst 2013 zur Akquise von Spendengeldern für die Restaurierung der Kirchenglocken ist schnell zum Selbstläufer geworden. Bereits 2014 entstand daraus das Ensemble „Die Coriveehen“. Einmal im Monat trifft sich die Gruppe mit Döbert im Gemeindehaus und zusätzlich 14-tägig in Kleingruppen. Mittlerweile spielen 20 Frauen mit. „Ein Mann verirrt sich eher selten“, meint Döbert lachend und vermutet: „Der zarte Klang sprich wohl mehr Frauen an.“

Auch wenn das Musizieren gerade bei Behinderten, aber auch Demenzkranken einen großen therapeutischen Nutzen hat, möchte Döbert die Veeh-Harfe aus der engen therapeutischen Ecke herausholen und neue musikpädagogische Impulse setzen. Die Damen des landkreisweiten Coriveehen-Ensembles sind jedenfalls höchst konzentriert bei der Sache, wie ein Blick in die Runde zeigt.

Die Beweggründe sind vielfältig: einige, wie die Stammheimerin Ursula Stühler, haben bereits Kurse besucht, andere wagen den Zugang zur Musik ohne rechte Notenkenntnis. Begeistert sind alle vom Klang des recht unscheinbaren Holzinstrumentes und genießen den Spaß des gemeinschaftlichen Musizierens in der großen Runde mit einem „tollen Lehrmeister“, wie sie sagen.

Die in Handarbeit aus Fichte und Ahorn gefertigten Veeh-Harfen gibt es in den verschiedensten Ausführungen, Größen und Oberflächengestaltungen. Das Basismodell mit 18 Saiten kostet etwa 500 Euro, für die 37-saitige Solo-Veeh-Harfe muss man fast 2000 Euro hinblättern, und im fernen Japan erleben hochpreisige Schelllack-Veeh-Harfen seit Jahren einen Boom.

So einfach, wie das Instrument auf den ersten Blick zu handhaben scheint, ist es dann nun doch nicht. Die Notenschablone – zwischen Instrumentenkörper und Saiten geklemmt – gibt zwar die Führung vor, doch der präzise harmonische Gleichklang muss intensiv geübt werden. Mit Taktstöckchen gibt Döbert den Rhythmus an, paarweise spielen die Frauen die erste und zweite Stimme beim neu eingeführten, melodischen „George Brabazon“ vom irischen Komponisten Turlough o'Carolan.

Döbert beruhigt die Damen ganz nonchalant: „Selbst wenn ich mit meiner Frau spiele, kommen wir auch schon mal aus dem Gleichklang.“ Das sei kein Problem, man müsse nur die Ruhe bewahren, auf sich vertrauen und warten, bis man wieder zusammenfinde.

Die Probe geht entspannt über die Bühne, zwischendrin werden Fehler diskutiert, und es wird gemeinsam überlegt, wie das Spiel optimiert werden kann. Jeder übt jede Stimme, bis der Ensembleklang passt. Viel besser klappt es schon beim lebhaften „Lady Gethin“, das Stück ist bekannt und sitzt bei den Coriveehen sicher, Einzelproben braucht es da nicht.

Das Ensemble hat schon einige Auftritte absolviert: im Advent, an Dreikönig oder beim monatlichen Taizé-Gebet in der Schonunger Christuskirche. Auch im Seniorenheim in Oerlenbach sind die Coriveehen schon aufgetreten, in dem Döbert mit Ehefrau Barbara Bedacht regelmäßig Sing-Nachmittage gegen das Vergessen anbietet.

Die Rückmeldungen vom Publikum sind durchweg positiv, der Klang der Veeh-Harfe lässt eben keinen kalt, denn das Instrument berührt eben auf ganz besondere Weise Herz und Seele.

 
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