Stellen Sie sich vor, Sie sind in ganz guter Stimmung, auf einer richtig guten Party, und Sie lernen die unterschiedlichsten Leute kennen, lustige, verrückte, fröhliche, verspielte, aber immer interessante und authentische Menschen. Dann bekommen Sie eine Ahnung davon, wie es bei dem Schweinfurter Kurzfilmtagen war. Auch wenn dort das Ganze auf der Leinwand stattfindet.
Die Leute mögen es. Es waren über 1100 Besucher in drei Tagen ins KUK gekommen. Und viele wussten, worauf sie sich einließen, denn die Kurzfilmtage fanden zum 20. Mal statt. Jimi Günther vom KulturPackt wählt die rund 70 Kurzfilme aus einem riesigen internationalen Angebot aus und komponiert das Festival. Dabei verfährt er noch überwiegend analog, das heißt, er besucht Festivals, aber auch youtube oder vimeo sind ihm eine gute Quelle. Früher liefen Kurzfilme noch häufiger im Fernsehen oder auch als Vorfilm. Dabei haben sie als Genre einen ganz eigenen Reiz.
Stellen Sie sich den langen Spielfilm vor, wie ein gutes Menü am Esstisch im Kreise der Familie, und dann die Kurzfilme als ein Büffet voller Häppchen über alle Ländergrenzen hinweg. Von süß (Zeichentrick) über deftig (Horror) und saftig (Sex) bis hin zu filigraner Kunst ist alles vertreten. Und auch der Humor zeigt sich in all seinen Facetten. Und alle sind von vorne bis hinten wunderbar durchkomponiert. Da begegnen Ihnen Clowns, die auf der Palliativstation arbeiten oder Männer, die darüber sprechen, wie sie ihr Liebesvergnügen verlängern: sie denken dabei an Margaret Thatcher oder an ihre alte Tante Frieda – na dann viel Spaß!
Jakob, der ständig geschnitten wird
Oder Sie denken darüber nach, ob Sie zuhause das Bügeleisen ausgeschaltet haben und geraten dabei in einen zauberhaften Zeichentrickfilm, oder Sie treffen bei den "langen Kurzen" (Filmen) Paul, der nie im Bild ist und der in der Selbsthilfegruppe unter anderem Jakob kennengelernt hat, der ständig geschnitten wird, oder, oder, oder.
Sie erleben wilde Abenteuer, zum Beispiel beim Feuer in Pappstadt, wo sogar das Löschwasser anfängt zu brennen, Sie verlieren Ihre Tochter in einem Horrorhaus auf endlosen Kellertreppen, Sie tanzen mit schwarzer Tusche auf Papier zu dramatischer Opernmusik. Auch die Tierwelt ist gut vertreten: ein Zebra, dem die Streifen verrutscht sind, ein Krokodil, das Probleme hat, Salzletten zu essen oder ein Chamäleon, dem seine Gefräßigkeit zum Verhängnis wird, oder ein Pinguin, der als Kellner ein Chaos produziert. Das Publikum wählt dabei in allen Genres seinen Lieblingsfilm, der im kommenden Jahr nochmal gezeigt wird.
Regionalfilmpreis für Anna Retter
Auch den mit 300 Euro dotierten Regionalfilmpreis bestimmt das Publikum. Heuer ging er an Anna Retter aus Niederwerrn, die momentan in Berlin lebt und in Stuttgart studiert hat. Ihr Film ist bereits auf Festivals in England, Frankreich und Kanada gelaufen. Sie hat zusammen mit Sami Lindfors und Anna Eschenbacher in England die Dokumentation Free from Skips gedreht, ein Film über das Containern, das heißt, sich von Lebensmitteln aus der Wegwerftonne zu ernähren. Was in Deutschland oft noch als kriminelle Tat betrachtet wird, zeigt sich dort lockerer und vor allem ökologisch und ökonomisch klüger.
Und was bleibt am Ende hängen, von all der Vielfalt der Kurzfilmtage? Vielleicht die Vielfalt selbst, die Fähigkeit, sich auf das wilde bunte Leben einzulassen, das ja auch im Kino stattfindet. Ein Grund, wieder öfter hinzugehen.