Kurt Petzold sitzt am Rückert-Denkmal, fast logisch im Rückert-Jahr 2016, und unternimmt wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag mit dem Reporter eine Zeitreise zurück in die 1970er. Als 34-Jähriger ist er zurückgekommen in die Heimatstadt. Zunächst als Stadtkämmerer, aber schon mit Blick auf den OB-Sessel als Nachfolger von Georg Wichtermann. Den nimmt er 1974 ein, für 18 Jahre.
Schweinfurt-Besucher schwärmen von den Veränderungen der Stadt. Das Graue-Maus-Image ablegen half schon Kurt Petzold. „Um unsere Altstadt wieder lebens- und liebenswert zu machen, mussten wir zunächst einmal den Durchgangsverkehr herausnehmen“, erinnert er, dass Spital-, Brücken-, Rückert- und Obere Straße samt Rathauskreuzung in den 1970ern ständig hoffnungslos verstopft waren.
„Gewissermaßen wie einen Bypass am menschlichen Herzen legten wir den inneren Ring an, indem wir Schultesstraße, Fischerrain, Rusterberg und Paul-Rummert-Ring bis zum Obertor verbreiterten und zum Teil überhaupt erst befahrbar machten.“ Petzold erinnert an den Ring von Parkhäusern, der den Parkverkehr bis heute von der Innenstadt fernhält. Und vor allem: Die „erste Fußgängerzone wurde die Spitalstraße, dass darüber damals noch heftig gestritten wurde, versteht wohl heute niemand mehr“.
Ende der sechziger Jahre hatte die Große Koalition mit Parteifreund Bundesbauminister Georg Leber mit der Förderung der Altstadtsanierung begonnen. „Das griff ich auf“, sagt Petzold. In Schweinfurt wurde das erste, in ganz Unterfranken „vorbildlich“ genannte Programm zur Sanierung alter Stadtquartiere entwickelt. Den Anfang machte der stark vernachlässigte Bereich Judengasse mit dem Schrotturm als heutiges Schmuckstück.
Das Leopoldina-Krankenhaus nannte Petzold schon mehrfach seine erste große Herausforderung. „Es ist wahrhaftig ein Grund für die Menschen unserer Stadt, froh und stolz zugleich zu sein, ein bisschen stolz darauf bin ich auch“, sagt Petzold, bescheiden, wie es so seine Art war und ist. Dem Bau vorausgegangen waren schwierige Überlegungen und Vorbereitungen, in die er gleich nach seiner Rückkehr 1970 eingebunden war. 1974 vollzog noch Wichtermann als OB den Spatenstich.
Größtes Bauwerk in der Stadtgeschichte
Während der siebenjährigen Bauzeit musste dann die „Planung und Finanzierung immer wieder den Entwicklungen angepasst werden“. Das Leo ist, 35 Jahre nach seiner Fertigstellung, nach wie vor das größte Bauvorhaben in der Geschichte der Stadt, habe sich allen Veränderungen im Gesundheitswesen erfolgreich angepasst. „Ob ähnliches auch für das Gesundheitszentrum zutreffen wird, muss sich wohl erst noch herausstellen. Im Augenblick scheint es mir noch etwas groß geraten.“
Großes Thema war auch das Grafenrheinfelder Atomkraftwerk. „Sein Abschalten ist sicher eine großartige Sache, für mich und für die ganze Stadt“, sagt der nun 80-Jährige. Das Ende der Gefahren sei es aber nicht, „höchste Wachsamkeit ist nach wie vor geboten“.
Seine Amtszeit als Oberbürgermeister endete 1992, ein wenig abrupt, weil Teile der SPD-Fraktion durchgesetzt hatten, dass er nicht mehr kandidieren konnte. Petzold sagt dazu nur das: „Das ist lange her, schon deswegen möchte ich denen, die heute in der Schweinfurter SPD Verantwortung tragen, keine Ratschläge erteilen“.
Petzold war aber erst 56 Jahre alt, als ihn Gudrun Grieser beerbte. Das Angebot von Peter Hofmann, der heute für die SPD im Stadtrat sitzt, nahm der Jurist Petzold gerne an. Er arbeitete erstmals auf dem freien Markt als Rechtsanwalt in Hofmanns Kanzlei, auch das sehr erfolgreich.
Unvergessliche Begegnungen
Er hat viel Prominenz getroffen, wer beeindruckte? „Um einige Beispiele zu nennen, Helmut Schmidt, Hans-Jochen Vogel, Willy Brandt, der Bundespräsident Richard von Weizsäcker, aber auch der schwedische König Carl Gustaf und Kammersänger Dietrich Fischer-Dieskau, dem ich 1979 den Rückertpreis der Stadt übergeben durfte.“
Das Thema Kultur ist erreicht, deren Förderung „mir immer am Herzen lag“, sagt Petzold. Schweinfurt sei freilich niemals kulturelle Wüste gewesen, sagt Petzold und nennt „unser in jeder Hinsicht großartiges Theater, das heute, man glaubt es kaum, 50 Jahre alt wird“. Er erinnert sich der ersten Spitzweg-Ausstellung 1976 im Rathaus, der Präsentation der Sammlung in der Alten Reichsvogtei. Und der erfolgreichen Verhandlungen mit den Erben Georg Schäfers mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung, die er „Meilenstein auf dem Weg zum heutigen Museum Georg Schäfer“ nennt.
Dann die Musikschule, die nicht zuletzt infolge partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Landkreis zu einer der größten und erfolgreichsten in Bayern geworden sei. Ähnliches gelte für die Volkshochschule. „Wichtig war mir auch, dass Kunst und Kultur nicht nur in städtischen Einrichtungen, sondern auch im bürgerschaftlichen Raum lebt und von der Stadt gefördert wird.“ Petzold bestätigt, dass damit beispielsweise auch die in der Frage genannten alternativen Kulturhäuser Schreinerei und die daraus entstandenen Disharmonie und Stattbahnhof gemeint sind.
Kurt Petzold hat drei Wünsche frei, einen für sich persönlich, einen für die Stadt und einen dritten, allgemeinen. „Na dann mal los“, sagt er und spielt unkompliziert mit. Wunsch eins: „Dass ich noch ein paar Jahre zusammen mit meiner Frau Gisela in unserem schönen Haus am Deutschhof leben darf, gleich neben Wald und Höllental. Dass wir gemeinsam noch ein paar interessante Reisen machen können. Und dass ich weiter beobachten darf, wie die Enkelkinder heranwachsen und flügge werden“.
Wunsch Nummer zwei: „Dass Schweinfurt von Katastrophen verschont bleibt und dass die für das Wohl der Stadt Verantwortlichen Meinungsverschiedenheiten fair und offen austragen, unnötigen Streit vermeiden und zum Besten der Bürger zusammenarbeiten.“
Nummer drei: „Dass auf der ganzen Welt Fanatismus, Krieg und Terror aufhören. Ich weiß, das ist Utopie. Aber träumen darf man ja. . .“
Kurt Petzold
Kurt Petzold wurde am 26. März 1936 in Schweinfurt geboren. Nach Abitur und dem folgenden Jurastudium in Würzburg trat er in die Innere Verwaltung des Freistaats ein. 1970 kam er nach Schweinfurt zurück, war erst Stadtkämmerer und von 1974 bis 1992, also 18 Jahre lang, Oberbürgermeister der Heimatstadt. Die größten Projekte seiner Amtszeit waren der Beginn der Altstadtsanierung, der Bau des Leopoldina-Krankenhauses, die Verkehrsberuhigung der Innenstadt, die Vorbereitung des Museums Georg Schäfer und das Maintal.
Kurt Petzold ist seit 1957 Mitglied der SPD. Von 1946 bis 1962 war er in der Sozialistischen Jugend „Die Falken“. Von 1982 bis 1994 gehörte er dem Bezirkstag Unterfranken an, ab 1990 war er dort Vorsitzender der SPD-Fraktion. Seine Partei ehrte Kurt Petzold letztes Jahr mit der Willy-Brandt-Medaille, der höchsten Auszeichnung, die die Sozialdemokraten zu vergeben haben. Petzolds großes Anliegen ist bis heute die Förderung der Jugend, die er in der von ihm mitinitiierten Oskar-Soldmann-Stiftung als Vorsitzender des Stiftungsvorstands unermüdlich bis heute betreibt.
Petzold ist in dritter Ehe mit Gisela Petzold verheiratet, der Leiterin der Frieden-Mittelschule. Die Stadt Schweinfurt hat Petzolds Leistung und Lebenswerk 2011 mit der Ernennung zum Ehrenbürger gewürdigt, und sie gibt anlässlich seines 80. Geburtstages am Ostersamstag einen Empfang im Rathaus. hh