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SCHWEINFURT
Kunstschiff an der Mainlände: Nele Ströbel und Chittagong Blues
Mit Durchblick: Installation mit Terracotten von Nele Ströbel in der Ausstellung „Chittagong Blues“.
Foto: Katharina Winterhalter | Mit Durchblick: Installation mit Terracotten von Nele Ströbel in der Ausstellung „Chittagong Blues“.

Von unserem Redaktionsmitglied

Katharina Winterhalter

 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:47 Uhr

Auch wenn wir noch so viel lesen, Bilder und Filme anschauen – wirklich vorstellen können wir uns einen Ort wie Chittagong in Bangladesch nicht. Ausgediente Ozeanriesen werden bei Flut mit Volldampf auf den Strand gesetzt und dort in ihre Einzelteile zerlegt – von Arbeitern, die völlig ungeschützt sind. Die Männer atmen giftige Dämpfe ein, sie schleppen schwerste Lasten, sie waten mit bloßen Füssen durch Schlamm, in dem unzählige Splitter stecken, sie haben zu wenig zu essen und zu trinken und ihre Bezahlung ist nach unseren Maßstäben erbärmlich. Wie lassen sich die Erfahrungen an einem solchen Ort künstlerisch umsetzen?

Die Bildhauerin Nele Ströbel hat sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt und zeigt ihre Arbeiten unter dem Titel „Chittagong Blues“ nach München und Würzburg nun auch in Schweinfurt – auf der Arte Noah, dem Ausstellungsschiff des Kunstvereins Würzburg, das für ein paar Tage an der Mainlände liegt, als Beitrag des Vereins zur Landesausstellung „Main und Meer“.

Die in München und Berlin lebende Künstlerin konnte nicht zur Eröffnung kommen. Für sie erzählte die Würzburger Kunsthistorikerin Eva-Suzanne Bayer, wie Ströbel 2011 auf Einladung der Kunstakademie Chittagong für sechs Wochen nach Bangladesh reiste und die Genehmigung erhielt, das Sperrgebiet der Shipwrecking-Zone zu betreten.

Wenn Ströbel heute sagt, dass sie sich wie in Dantes Inferno gefühlt hat, können wir ihr das glauben, wirklich nachvollziehen lässt sich diese Dramatik in der Ausstellung nicht.

Die kleinen Tuschezeichnungen deuten das Elend an diesem Ort allenfalls an. Die Fotografien, die in einer Endlosschleife an die Wand geworfen werden, sind sehr blass im Tageslicht und sie bleiben nie lange genug stehen, um sie intensiv zu betrachten. Außerdem zeigt Nele Ströbel hier nicht nur das Grauen. Immer wieder tauchen Bilder von schönen Frauen, kleinen Tempeln und exotischen Pflanzen auf. Man wünscht sich, die beeindruckenden Porträts der Männer in ihren zerlumpten Kleidern als großformatige Fotografien zu sehen.

Im Mittelpunkt der als Installation angelegten Ausstellung stehen die Terracotten, kleinformatige Plastiken aus Ton. Ihre Form lässt sich zwar als aufgeschnittene Schiffskörper deuten. Wer aber nichts von Chittagong weiß, sieht in ihnen nach zwei Seiten offene Raumkörper, vielleicht sogar Guckkästen, in die die Bildhauerin etwas setzt: Gebilde, die an Pflanzen erinnern, gewundene organische Formen. Die Terracotten sind kleine Räume mit Durchblick. Wer sie betrachtet, nimmt immer auch den Hintergrund wahr. Nele Ströbel arrangiert sie bei jeder Ausstellung neu, reagiert immer auch auf den Ausstellungsraum. Die Tochter eines Architekten will mit ihrer Kunst Räume besetzen und definieren und oft nimmt sie Stellung zu aktuellen Dingen oder Erlebnissen, die sie berühren.

Wie kann ein Künstler auf Schreckliches reagieren? Diese oft gestellte Frage drängt sich auch in dieser Ausstellung auf. Eva-Suzanne Bayer antwortet mit einer Frage: „Ist es nicht die Aufgabe von Kunst, das Schreckliche und das Chaos, das uns umgibt, eben durch die Form fassbarer zu machen, so dass wir, die Betrachter, es fassen, darüber nachdenken und vielleicht reagieren können?“ Ob das mit „Chittagong Blues“ gelingt, muss jeder Besucher für sich herausfinden.

Arte Noah liegt bis Samstag, 21. September an der Mainlände und ist täglich von 11 bis 18 Uhr, Samstag bis 16 Uhr geöffnet. Führungen am Mi., Do., und Fr. um 15 Uhr, Performance von Petra Blume am Donnerstag, 17 Uhr, Finissage am Samstag, 15 Uhr.

 
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