„Wer nicht denken will fliegt raus“. Mit dieser autoritären Botschaft, auch an sich selbst gerichtet, beschriftete Joseph Beuys eines seiner so genannten Multiples, also Kunstwerke, die in Serie entstanden sind. Und Nachdenken ist bei seiner Kunst sowie der seiner Zeit- und Geistesgenossen ausdrücklich gefordert: In der Präsentation der Edition „Weekend“ in der Kunsthalle Schweinfurt, einer Leihgabe der Bundessammlung zeitgenössischer Kunst, reihen sich politische, gesellschaftskritische und philosophische Ansatzpunkte aneinander. Zu sehen ist die Ausstellung in der Kunsthalle bis 16. August.
Auch der Titel der Ausstellung stammt von dem prominenten Kreativen: „Ich kenne kein Weekend“ ist Beuys‘ Reaktion auf den Vorschlag des Galeristen und Verlegers René Block, einen Beitrag zu dessen Edition beizusteuern. Das Ergebnis war 1971/72 ein Koffer mit Objekten von Beuys sowie insgesamt 18 graphischen Arbeiten von sechs weiteren Künstlern aus dem Umfeld Blocks.
Die Karrieren von René Block und Joseph Beuys sind eng miteinander verknüpft. Zusammen feierten sie schnell Erfolge, bis beide mit der Aktion „I like America and America likes me“, einige Jahre nach „Weekend“, schlagartig international berühmt wurden. Der Künstler schloss sich dafür medienwirksam mehrere Tage mit einem Kojoten in die New Yorker Galerie seines Unterstützers ein.
Ein Ziel der so genannten Fluxus-Künstler, die Block gezielt förderte, war die Grenzen zwischen darstellender und bildender Kunst aufzulösen. Zentrale Ausdrucksmittel waren daher derartige Aktionen, Happenings oder Festivals, wovon innerhalb der Edition „Weekend“ etwa Vostells Drucke zeugen.
Dessen provokanter Plan, auf den er mit seinem „Weekend“-Beitrag Bezug nimmt, war eine trächtige Kuh im Rahmen der Ausstellung „happening und fluxus“ (1970/71) im Kölnischen Kunstverein kalben zu lassen. Die Polizei vereitelte das Kunstprojekt jedoch und führte das trächtige Tier ab. Der wichtige Pionier der Fluxus-Bewegung lotete damit nicht nur die Grenzen der Kunst aus, sondern versuchte ihren Begriff für Alltägliches zu weiten: Kunst und Leben sind für Vostell gleichzusetzen. Jene Auffassung erklärt auch das werdende Leben durch die Geburt als höchste Form der Kunst in einer Galerie zu feiern.
Beuys selbst steuerte im Koffer eine „Maggi“-Flasche und eine gestempelte Ausgabe des Philosophieklassikers „Kritik der reinen Vernunft“ von Immanuel Kant bei. „Alles ist Kunst“ und „Jeder ist ein Künstler", davon war er überzeugt. Damit erhebt Beuys letztlich sogar ein in Massenproduktion erzeugtes Würzmittel der Alltagsküche zum höchsten Kulturgut. Die Kombination mit dem Buch lässt weitreichende Interpretationen zu, die in der Ausstellung zu ergründen sind.
Ironie und Irritation schlagen den Betrachtern etwa bei K.H. Hödickes „Weekend“-Beitrag „Original + Fälschung“ entgegen, während KP Brehmer wieder politischer mit „TV-Testbildern (zur Feststellung faschistischer Tendenzen)“ vertreten ist. Die Vielfalt der Aussagen und Ausdrucksmittel zeichnet nicht nur die Edition „Weekend“ selbst aus, sondern genauso die Anknüpfungspunkte und Bezüge zur Sammlung der Kunsthalle. Ebenfalls als Leihgabe der Bundessammlung zeitgenössischer Kunst ist dort beispielhaft das „Finnische Rind“ von Ewald Mataré zu sehen, der Lehrer von Beuys war.
Matarés Anliegen war es dabei keinesfalls ein realistisches Abbild eines finnischen Rinds zu schaffen. Vielmehr studierte der Bildhauer dessen Physiognomie und vereinfachte den Körper, bis er auf das Wesentliche reduziert die gewünschte Wirkung erzielte. Das „Finnische Rind“ zeigt damit auf, was Mataré berühmt und zu einem wichtigen Teil der Kunstgeschichte machte: die konsequente Weiterentwicklung der Abstraktion im Bereich der Bildhauerei.
Das gedankliche Erbe von Fluxus reicht letztlich bis zu den ausgestellten Zeitgenossen: Die politische, gesellschaftskritische Aktion „Jeder gegen Jeden“ von Ottmar Hörl, die teils noch im Untergeschoss zu sehen ist, lässt sich dem etwa zurechnen. Selbst Thomas Baumgärtel, den die Kunsthalle ab Ende Juli mit „German Urban Pop Art“ zeigt, bezieht sich mit einer großen Installation auf Vostell und aktualisiert mit seiner Spray-Kunst nochmals den geistigen Nachlass der Fluxus-Künstler.
Wie Joseph Beuys kennt die Kunsthalle auch an Pfingsten „kein Weekend“ und hat wieder zu den üblichen Zeiten geöffnet.
Die Kunsthalle ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, geöffnet. Aktuelle Informationen gibt es unter www.kunsthalle-schweinfurt.de