Die Stadt, genauer gesagt, das Bauamt, hat in den vergangenen Wochen eine umfassende Klageerwiderung erarbeitet, die bis 17. August beim Landgericht eingereicht wird. Dabei habe sich herausgestellt, dass dem Architekten mehr gezahlt wurde, als ihm zusteht, sagte Baureferent Jochen Müller auf Anfrage. Deswegen verklagt die Stadt den Architekten nun ihrerseits auf „Rückzahlung überzahlter Gelder wegen nicht erbrachter Leistung“.
Bislang hat Hartwig N. Schneider Abschlagszahlungen in Höhe von „deutlich über 300 000 Euro“ bekommen, so Müller. Eine schnelle Entscheidung durch das Landgericht ist nicht zu erwarten, handelt es sich doch um eine sehr komplexe Materie. Die Klageerwiderung umfasst rund 100 Seiten. Vermutlich müssen Gutachter zugezogen werden. Schneider hatte, wie berichtet, im Juni 2005 den Wettbewerb unter 350 Büros gewonnen. Sein Entwurf, „sein Respekt vor dem Original und sein Mut zur Weiterentwicklung“, hatte die Jury überzeugt. Als geschätzten Kostenrahmen hatte die Stadt neun Millionen Euro vorgegeben, mit der Hoffnung auf 80 Prozent Fördergelder. Um in deren Genuss zu kommen, musste das Projekt aber bis Ende 2008 abgerechnet werden. Das war von Anfang an klar.
Hartwig N. Schneider wurde mit der Genehmigungs- und der Ausführungsplanung beauftragt.
Anschließend sollte der Staffelstab, also Ausschreibung, Vergabe und örtliche Bauüberwachung an ein Ingenieurbüro weitergereicht werden. Bevor es dazu kam, kündigte die Stadt Schneider fristlos noch vor Ende der Ausführungsplanung im April 2007. Das Duisburger Büro Peter Ropertz übernahm zu diesem Zeitpunkt, also früher als geplant.
Unterschiedliche Versionen
Die Hintergründe werden von beiden Seiten unterschiedlich beschrieben. Hartwig N. Schneider berichtete in einem Telefongespräch, er sei enttäuscht und zermürbt. Er habe sich nie geweigert, notwendige Änderungen mitzutragen. Er habe schon 2006 bei der Kostenberechnung darauf hingewiesen, dass sie mit einem Risiko behaftet sei, weil man zu wenig über den Zustand des Gebäudes gewusst habe.
Er habe schon im November 2006 auf die Problematik hingewiesen, habe geahnt, dass der Zustand viel schlechter sei als angenommen. Wenige Tage nach Vorlage der aktualisierten Kostenberechnung sei die Kündigung erfolgt.
Die Stadt sieht die Sache ganz anders. Architekt Schneider habe die Verpflichtung gehabt, das Gebäude gründlich zu untersuchen und eine Kostenberechnung vorzulegen, die weitestgehend aufzeigt, mit welchen Kosten der Bauherr zu rechnen habe. Es seien dann zwar immer wieder Nachberechnungen angestellt worden, so Müller, die aber nicht vollständig waren. „Schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Professor Schneider den engen Zeit- und Kostenplan gefährdet hätte“, formulierte es Kämmerer Martin Baldauf. Mit Rücksicht auf das Verfahren wollte er nicht näher auf Details eingehen. Die Stadt kündigte Schneider und bat um die Schlussrechnung. Die sei, so Müller, aber nicht überprüfbar gewesen, auch eine zweite nicht.
Die Bauarbeiten begannen im Oktober 2006. Mit jedem Stück Putz und Verkleidung, das entfernt wurde, kamen immer mehr Schäden ans Tageslicht. Im April 2007 musste Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser – zunächst in nichtöffentlicher Sitzung – dem Stadtrat die schlechte Nachricht präsentieren, dass mit Mehrkosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro zu rechnen sei. Als Grund wurde in erster Linie die Bausubstanz genannt, die viel schlechter war als ursprünglich angenommen.
Laut Zeitungsbericht vom 26. April 2007 hatten die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt schon monatelang über Möglichkeiten zur Einsparung nachgedacht. Ein Beispiel war die südliche Wand der Schwimmhalle, die nach Schneiders Plänen versetzt werden sollte, um Platz für eine große Treppenanlage zu machen. Die Wand wurde erhalten, die Treppe schmaler gebaut. „Diese Planungsänderungen wurden im Einvernehmen mit Architekt Schneider entwickelt“, heißt es im Bericht.
„Tragende Konzeption“
Laut Kämmerer Martin Baldauf wurde der Stadtrat damals über die Kündigung Schneiders informiert. Die Öffentlichkeit nicht. Bei offiziellen Gelegenheiten wie Grundsteinlegung und Bauübergabe wurde immer von der „tragenden Konzeption“ des Stuttgarter Architekten gesprochen. Sein Nachfolger Peter Ropertz betonte bei diesen Gelegenheiten, dass er sich dem fremden Wettbewerbsergebnis nähern wolle, ohne die eigene Handschrift zu verleugnen.
Bei der Eröffnung der Kunsthalle wurde der Name Hartwig N. Schneider nicht genannt. Ob das mit der Klage gegen die Stadt zu tun hat, darüber könnte man höchstens spekulieren. Unabhängig davon bleibt er der Architekt eines gelungenen Umbaus, und das macht ihm auch niemand streitig.