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Kunsthalle: Nach dem Bade
Von Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 27.04.2009 18:55 Uhr

Um ein Haar hätte die neue Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad noch vor der Eröffnung am 28. Mai ihren „Putzfrauenskandal“ gehabt – wie einst die Düsseldorfer Kunstakademie, als eine Reinemachefrau die „Fettecke“ von Joseph Beuys wegwischte. Just am Tag der Bauübergabe, als Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser in Begleitung vieler Pressevertreter einen ersten Blick in die Ausstellung „Diskurse – zeitgenössische Kunst nach 1945“ warf, stand eine Reinemachefrau vor der Wandarbeit „Nach dem Bade“ von Bettina Bätz und versuchte, die „Fusseln“ wegzureiben.

Der Hinweis einer Pressevertreterin, dass es sich um ein Kunstwerk aus Haaren handle, das besser nicht berührt und schon gar nicht geputzt werden sollte, rettete eine Arbeit, die die Geschichte des Hauses und seine neue Funktion spannend repräsentiert: So wie sich die nackte Dame „nach dem Bade“ die Haare abtrocknet, haben es Tausende von Frauen vor ihr getan, die ab 1933 das Volks- und Hallenbad besuchten, das der Geheime Kommerzienrat Ernst Sachs anlässlich seines 60. Geburtstags gestiftet hatte.

Die Dame aus Haaren, geklebt auf weiße Kacheln, erinnert außerdem an das Kulturforum 2005, als eine ähnliche Arbeit von Bettina Bätz in den Duschen zu sehen war. Kurz nach der Schließung hatte der KulturPackt Schweinfurt das Bad für neun Tage in einen Kunstort verwandelt. Nicht zuletzt steht die Arbeit für die Auseinandersetzung der Museen und Galerien der Stadt mit zeitgenössischer Kunst. Seit mehr als 50 Jahren sammelt Schweinfurt Werke zeitgenössischer Künstler, 1984 wurde die Galerie in der Alten Reichsvogtei eröffnet, zum 25-jährigen Bestehen konnte sie in die neuen Räume umziehen.

Zweieinhalb Jahre dauerte die Transformation des Hallenbades in eine Kunsthalle. Dass das Gebäude wie geschaffen für seine neue Funktion scheint, kommt nicht von ungefähr. Auf die Anmerkung des Stifters Ernst Sachs, „die Sache sähe halt eigentlich nicht wie ein Hallenbad aus, sondern wie eine Festhalle, in der auch Kunstausstellungen stattfänden“, antwortete Architekt Roderich Fick, das sei gerade beabsichtigt. Der 1886 in Würzburg geborene Baumeister wollte nicht nur ein Hallenbad, sondern einen Ort der Gesundheit und der Gemeinschaft schaffen – was sich in der Architektur widerspiegelte.

Die tatsächliche Größe und Besonderheit der Anlage – einem Kloster mit Kreuzgang, Kirchenschiff und Refektorium nachempfunden – wird erst nachvollziehbar, wenn der Besucher das Foyer betritt. Von hier kann er drei Wege nehmen. Einer führt ihn wie einst den Badegast nach links durch die ehemaligen Umkleiden und Duschen (heute Ausstellung „Diskurse“) – also um den Innenhof herum – in die große Halle. Der zweite Weg führt geradeaus in den Innenhof, wo sich der Besucher im Schatten des Zimtahorns (der freilich noch ein wenig wachsen muss) ausruhen oder mit der Stahlskulptur „Vertikale Entwicklung 90 Grad“ von Thomas Röthel einstimmen kann auf die Kunst im Inneren. Ein langes Glasoberlicht ermöglicht einen ersten Blick ins neu geschaffene Untergeschoss und auf ein Stück Stadtgeschichte.

Aber bleiben wir erst einmal im Foyer, der „vornehm lichten Kassenhalle“, wie es Baurat Zierl 1933 formulierte. Daran hat sich nichts geändert. Heute sind hier Kasse, Museumsshop und Garderoben. Und noch eine kleine Reminiszenz an die Vergangenheit: ein alter Fön, der freilich keine warme Luft, sondern eine kleine Geschichte von sich gibt: „Der letzte Sprung vom Beckenrand“, so der Titel der Arbeit von Monika Linhard.

Rechts vom Foyer – und damit wären wir beim dritten Weg – lockt der grüne „Freischwimmer“. Die Lichtinstallation der Stuttgarter Künstlerin Chris Nägele erhellt einen der beiden neuen hohen Treppenräume ins Untergeschoss. Der Besucher taucht sozusagen hinab auf den Boden des ehemaligen Schwimmbeckens. In diesem Raum unter der großen Halle findet die Sammlung Expressiver Realismus von Joseph Hierling ihre Bleibe (siehe Seite 19). Nebenan wurde der Innenhof unterkellert, um einen weiteren Ausstellungsraum zu schaffen, der in den ersten Monaten mit Arbeiten aus der Sammlung Hierling bespielt wird, bevor ab 12. November „Fokus Franken – Triennale für zeitgenössische Kunst“ präsentiert wird.

An dieser Stelle war mit Resten einer Bastion aus dem Dreißigjährigen Krieg zu rechnen. Tatsächlich kam beim Ausschachten eine massive Mauer zum Vorschein, Teil des Unterbaus der so genannten Naturheilschanze, die vom schwedischen General Wrangel 1648 begonnen und nach dem Krieg von der Stadt fertiggebaut wurde. Das intakte Mauerstück wurde in den Raum unter dem Innenhof integriert und „durch die aufgesetzte Lichtraupe optisch betont“, wie es Architekt Peter Ropertz formuliert.

Sein Büro hatte im August 2006 die Bauausführungsplanung übernommen und mit ihr die tragende Konzeption des Stuttgarter Architekten Hartwig N. Schneider, der 2005 den Wettbewerb gewonnen hatte. Von Schneider stammt die Idee mit dem „Abtauchen in die unterirdischen Ausstellungsbereiche über zwei große Treppen“. Peter Ropertz sah seine Aufgaben darin, sich diesem fremden Wettbewerbsergebnis zu nähern, ohne die eigene Handschrift zu verleugnen und mit Vorsicht und Respekt an die Umnutzung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes heranzugehen. Erschwerend kam hinzu, dass die Bausubstanz, vor allem der Betondecken, maroder war als angenommen, dass die Kosten davongaloppierten und der Termindruck wegen der Zuschüsse enorm war.

Bei der Bauübergabe, zwei Monate vor der offiziellen Eröffnung, gab es denn auch erleichterte Gesichter und viel Lob für alle Beteiligten. Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser betonte, der Umbau unterstreiche die Schönheit dieses Juwels von einem Gebäude. Sie erinnerte an die entscheidenden Momente der letzten Jahre: Ende der 1990er wurden die Bauschäden massiv sichtbar, der Beton bröckelte, Notmaßnahmen wurden ergriffen. Aus heutiger Sicht hätte das Hallenbad nicht mehr eröffnet werden dürfen. Schnell war klar, dass sich das Gebäude weder für Volkshochschule, noch für Stadtbücherei, Industriemuseum oder gar ein Einkaufszentrum eigne, wohl aber als Nachfolger für die Alte Reichsvogtei. Im August 2004 wurde der Badebetrieb eingestellt, im Dezember 2004 wurde der europaweite Wettbewerb „Kunsthalle Ernst-Sachs-Bad“ ausgeschrieben. Im Juni 2005 fiel die Entscheidung für den Vorschlag von Hartwig N. Schneider. Im Oktober 2006 rückten die ersten Maschinen an, das Gebäude wurde Stück für Stück entkernt, die marode Substanz saniert. Die Kunsthalle entstand quasi neu innerhalb der alten Mauern und unter Beibehaltung des ehemaligen Raumkonzeptes. Die Gestaltung ist zurückhaltend, die Kunst soll sich entfalten zwischen weißen Wänden, weißen Decken und einem Boden aus anthrazitfarbenen Platten. 1890 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen zur Verfügung. Im Untergeschoss die Halle mit 383 und der Umgang Innenhof mit 375 Quadratmetern. Von hier geht es über die zwei hohen Treppenräume nach oben: auf der einen Seite der großen Halle beleuchtet vom grünen „Freischwimmer“, auf der anderen vom blauen „Nichtschwimmer“. Wo einst die Schweinfurter schwammen oder am Beckenrand hingen, um zu plauschen, ist eine fast 500 Quadratmeter große Halle entstanden, das Zentrum der Kunsthalle, ein beeindruckender Saal für große Wechselausstellungen, der auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann.

„Weitgespannt liegt die mächtige Balkendecke über den weißen Wänden . . . Die Halle ist nach drei Seiten umbaut . . . nur nach der Sonnenseite öffnet sie sich gegen den Innenhof hin, fünf Meter hohe Fenster bringen Licht und Sonne herein.“ Dieses Zitat des Baurats Zierl von 1933 gilt damals wie heute. Zum Auftakt ab 18. Juni stellt der Maler Franz Hitzler hier unter dem Thema „Farbe, Furcht und Engel“ aus. Im Herbst folgt das Ausstellungsprojekt „20 Jahre Deutsche Einheit 1989–2009“.

Stand die Galerie in der Alten Reichsvogtei unter dem Thema „Positionen“, laden die Museen und Galerien nun zu „Diskursen“ über die zeitgenössische Kunst in Franken ein, die ihren Blick gleichzeitig auf überregionale Horizonte richtet, wie es der Leiter der Museen und Galerien und des Kulturamtes, Erich Schneider, formuliert.

Das Kulturamt mit den Büros der Museumsverwaltung, einem Bibliotheks-und Vortragssaal, Werkstätten und Technikbereiche ist im vorgelagerten Arkadenbau (Reminiszenz an ein Refektorium) untergebracht. Im Erdgeschoss hat die Museumspädagogik ihre neue Heimat gefunden, in einem großen „Atelier unter den Arkaden“. Im Freien unter den Arkaden hängen zur Einweihung die Fahnen, die Schweinfurter Schüler in den Monaten vor dem Umzug gestaltet haben – Teil der Patenaktion „Mein Bild für die Kunsthalle“. Auch die Einladungskarten zur Eröffnung und ein kleiner Kalender, den es im Museumsshop zu kaufen gibt, sind Ergebnisse dieser Aktion, die die Öffentlichkeit in den Umzug miteinbeziehen wollte. Ein zweites Begleitprojekt ist der „Brunnenweg“, gestaltet von der Nürnberger Künstlerin Tanja Hemm, der die Standorte Alte Reichsvogtei und Kunsthalle mit sieben Klanginstallationen in der Nähe von Brunnen verbinden sollte. Zur Eröffnung sind alle zu hören.

Bliebe noch das neue Domizil des Schweinfurter Kunstvereins zu erwähnen, ein 34 Meter langer, 150 Quadratmeter großer Raum in zweiten Obergeschoss, dessen Name „Kunstsalong“ sich auf den ungewöhnlichen Grundriss bezieht. Hier plant der Verein zwei Ausstellungen im Jahr. Den Anfang macht ab 2. Juli die Malerin Lisa Endriss aus Griesstätt. Einerseits möchte sich der Kunstverein mit seinem Programm deutlich abgrenzen zur Kunsthalle der Museen und Galerien. Andererseits bleibt man Förderverein der städtischen Institution, mit einer gemeinsamen großen Ausstellung pro Jahr und dem Auftrag, weiterhin möglichst viele Kunstwerke für die Sammlungen zu erwerben.

Daten & Fakten

Ausstellungsfläche: 1890 Quadratmeter. Baukosten: 12,8 Millionen plus 930 000 Euro für Freianlagen. Fördergelder: fünf Millionen Euro EU, eine Million Freistaat Bayern, 200 000 Bayer. Landesstiftung, 500 000 Bezirk Unterfranken.

Baubeginn Oktober 2006, Grundsteinlegung Oktober 2007, Fertigstellung Ende März 2009.

„Generalprobe“ mit Eröffnung der Ausstellung „Diskurse“, 7. Mai, 11 Uhr. Vorab geöffnet bis 10. Mai.

Festakt zur Eröffnung: 28. Mai, 11 Uhr.

Eröffnung der Ausstellung Franz Hitzler „Farbe, Furcht und Engel“ in der großen Halle am 18. Juni, 19 Uhr.

Eröffnung des Kunstsalongs des Kunstvereins, 2. Juli, 19 Uhr.

Der Innenhof.
Foto: FOTOs (3) Mathias Wiedemann | Der Innenhof.
Die große Halle während des Umbaus. Ein Bagger frisst sich in das ehemalige Schwimmbecken.
Foto: FOTO Katharina Winterhalter | Die große Halle während des Umbaus. Ein Bagger frisst sich in das ehemalige Schwimmbecken.
Nach dem Bade, vor der Kunst: Die große Halle der Kunsthalle.
Foto: FOTO Mathias Wiedemann | Nach dem Bade, vor der Kunst: Die große Halle der Kunsthalle.
 
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