(oli/ak) Auch in diesem Sommer gibt es in der unterfränkischen Kulturlandschaft wieder einen erfrischenden Perspektivwechsel: Zum sechsten Mal tauschen diesmal zwölf Museen unter dem Motto „Kunst geht fremd“ untereinander ihre Kunst. Eröffnet wird das Projekt am 26. Juli um 11 Uhr im Knauf-Museum in Iphofen, die Kunstwerke in anderen Museen sind dann bis 6. November zu sehen.
Jeweils ein ausgewähltes Kunstwerk wird in ein anderes Haus ausgeliehen und begibt sich dadurch in einen durchaus interessanten neuen Kontext: Die Objekte werden in fremdem und zugleich regionalem Umfeld neu präsentiert, ihrem alten Kontext in den ursprünglichen Museen entrissen und ganz bewusst in einen neuen Kontext, ein neues Gebäude, eine andere Ausstellungskomposition mit eingefügt.
Dass sie da möglicherweise sogar den Betrachter irritieren, ist von den Ausstellungsmachern gewollt, denn gerade die Irritation lädt dazu ein, sich mit dem neuen Kunstwerk ausführlich auseinanderzusetzen und vielleicht auch die bestehenden Kunstwerke in den entsprechenden Häusern wieder einmal genauer anzuschauen und vielleicht auch neu zu entdecken.
„Wir laden Sie ein, mit unserem Programm auf Wanderschaft zu gehen und den Verbindungen zu folgen, die wir diesen Sommer wieder quer durch die Lande geknüpft haben“, heißt es im Vorwort der Broschüre „Kunst geht fremd“. Der Tausch verläuft nicht starr bilateral, sondern er spinnt seine musischen Fäden quer durch den Bezirk. Das gewährt einen neuen Blick auf Ausstellung und Kunst, kreiert ein heterogenes, lebendiges Netzwerk, von dem Besucher und Kulturschaffende vor Ort profitieren.
Die Kunsthalle Schweinfurt leiht die Gouache „Dame mit Handspiegel und Zofe“ im Format 78 x 57,4 Zentimeter von Paul Kleinschmidt aus dem Jahr 1947 aus ihrer Sammlung Joseph Hierling an die Barockscheune Volkach aus. Der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe schrieb bereits 1932 über das Werk: „…Er steigert das Gesehene nur aus der Intuition des auf Fülle der Erscheinung erpichten Malers. Aus der gemästeten Idiotie des Milieus gewinnt der Pinsel ein neues Register von strahlenden Harmonien, neue Substanz.
“ In der Beschreibung des Bildes heißt es weiter: „Kleinschmidt liebte korpulente Frauen, obgleich der Spiegel in der Hand der spärlich bekleideten Dame durchaus im Sinne eines Vanitas-Symbols zu verstehen ist. Ihre Schönheit hat demnach zwei Seiten. Das Gemälde ist als sprechendes Pendant zur Volkacher Leihgabe nach Bad Kissingen einer frühneuzeitlichen Illustration des ,Hurenwirts' aus dem berühmten Salbuch zu verstehen.“ Die Sammlung Joseph Hierling wird seit der Eröffnung der Kunsthalle Schweinfurt als Leihgabe in einem eigenen Raum im Parterre präsentiert.
Der Künstler Paul Kleinschmidt (1883 Bublitz/Pommern – 1949 Bensheim/Weinstraße) stellt, sowohl was den Umfang von Werken dieses Künstlers betrifft, als auch in Hinblick auf die Virtuosität und die Qualität seiner Malerei, ein Highlight des rund 450 Werke umfassenden Konvoluts des Sammlers dar. Gerne hat sich der Maler in der Tradition von Otto Dix oder Max Beckmann mit der ambivalenten und schillernden Künstlerwelt von Varieté, Zirkus oder des Theaters auseinandergesetzt und gerade dort zu hinreißenden Bildkompositionen von expressiver Farbigkeit gefunden.
Nach Schweinfurt kommt ein ebenso interessantes Ausstellungsobjekt aus dem Knauf-Museum: die Prunk- oder Schminkpalette des Königs Narmer in graugrünem Schiefer aus Hierakonpolis, 66 x 42 Zentimeter groß. Es handelt sich um 1970 erstellte Repliken von Relief-Platten um 3000 vor Christus. Besonders auf das Schminken der Augen legten die Bewohner am Nil Wert. In dynastischer Zeit stand zur Befriedigung der Schmink- und Schmuckbedürfnisse ein üppiges Arsenal bereit: Henna für Fuß- und Fingernägel, roter Ocker für Lippen und Wangen, Myrrhen- und Lilienöl sowie weitere Essenzen zum Parfümieren des Körpers. Eines der wohl beeindruckendsten Objekte, das neben den mythologischen Inhalten der Siegessymbolik den Schönheitskult Ägyptens aus der Zeit um 3000 vor Christus zeigt, ist die berühmte Prunkpalette des Königs Narmer. Auf der Vorderseite wird der König mit der weißen Krone von Oberägypten vorgestellt, wie er mit seiner Schlachtkeule einen Feind erschlägt, hinter ihm sein Sandalenträger. Auf der Rückseite im oberen Bildfeld steht der König mit unterägyptischer Krone vor enthaupteten Feinden. Narmer wird ein Standartengeleit vorangetragen, das sogenannte „Horusgefolge“.
In der breiten Mittelszene zeigen sich zwei Schlangenhalspanter, die ihre Hälse gegeneinander legen und von je einem Mann am Strick gehalten werden. Diese Fabelwesen sind wohl als Sonnentiere aufzufassen und bilden auf der Palette einen Kreis, der vertieft als Schminkschale genutzt wurde. Ein Objekt passend zur Kunsthalle Schweinfurt, denn im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad hat man sich sicher auch nach dem Baden geschminkt.
Folgende Museen sind beteiligt: Museen Schloss Aschach, Stiftsmuseum Aschaffenburg, Museum Obere Saline Bad Kissingen, Knauf-Museum Iphofen, Deutsches Fastnachtmuseum Kitzingen, Museum Stadt Miltenberg, Museum Schloss Oberschwappach, Kunsthalle Schweinfurt, Museum Barockscheune Volkach, Kloster Wechterswinkel, Museum im Kulturspeicher Würzburg und Mainfränkisches Museum Würzburg.
Die Museumsbesucher erhalten im Rahmen von „Kunst geht fremd“ eine einmalige Vergünstigung. Wer im ersten Museum den vollen Eintritt zahlt, erhält mit der Aktionspostkarte in allen weiteren Museen ermäßigten Eintritt. Der Besuch des zwölften Museums wäre dann frei. Informationen unter www.kunstgehtfremd.de