Wer während des kommenden Weinfestes die Ausstellung mit Werken des Künstlers Clemens Hegler besucht, wird drinnen im Foyer des Alten Rathauses auf eine Gegenwelt zu der lauten, feierfreudigen und konsumorientierten Gesellschaft draußen am Marktplatz und in den angrenzenden Straßen stoßen. Die Ausstellung ist nämlich ein nachdenklicher Protest gegen den unbedachten Konsum und gegen die Verschwendung. Clemens Hegler arbeitet vornehmlich mit Material, das andere achtlos wegwerfen, weil sie es für wert- und nutzlos halten.
Was dabei herauskommt, hat in seiner Grundhaltung nicht allzu viel zu mit Vornamen des Künstlers. Das lateinische Wort Clemens bedeutet nämlich soviel wie "sanftmütig", "mild"oder "nachsichtig". Das ist Hegler nicht. Er ärgert sich in seinem sofort ins Auge fallende Werk "60 Jahre Menschenrechte" darüber, dass die groß gefeierten Grundrechte bei weitem nicht überall eingehalten werden. Und die, die sie einhalten, treiben ungeniert ihren üppigen Handel mit diktatorisch geführten Ländern, auf dass damit Wirtschaft und somit Konsum florieren. Dieser Mehrfarbholzschnitt auf Leinwand hat die opulente Breite von 5,17 Meter bei einer Höhe von 1,6 Meter.
Abschied in einem leeren Saal
Mit Leonardo da Vincis berühmten Wandgemälde "Das Abendmahl" hat Heglers gleichnamiges Werk Werk wenig zu tun - bis auf das Motiv des Abschieds. Während bei da Vinci Jesus und die gesamte Jüngerrunde zu sehen sind, verabschieden sich bei Hegler zwei Menschen in einem leeren Saal. Die Szene ist ganz in abgestimmten Grautönen gehalten.
Der in Gerolzhofen geborene, in Alitzheim aufgewachsene und jetzt in Volkach lebende Künstler sagt zu diesem Werk: "Hier will ich zeigen, dass zwei vertraute Menschen nie zur gleichen Zeit tot von der Gartenbank fallen, sondern dass immer einer übrig bleibt." Hegler hat dieses Werk in der Deutzer Werft in Köln geschaffen.
Das gehört zu seinem Schaffensritus. Jedes Jahr im Dezember fährt er in eine andere Stadt und versucht dort Werke zu kreieren, die eingebettet sind in das Geschehen der Stadt, aber auch über es hinausdeuten. Ein Beispiel ist das Jenaer Totenbuch, in dem er aus Zeitungsmeldungen eine ganze Serie von gemalten Buchkapiteln mit Problemstellungen entwirft: das Wiederaufflackern des Neonazismus. der Tsunami in Asien, die Pisa-Studie, die besagt, dass der Bildungsstand deutscher Schüler nur sehr mittelmäßig ist.
Skurriles Motorrad
Andere Werke sind ein skurriles Motorrad, das Hegler aus lauter Schrottteilen zusammengebaut hat. Der Tank besteht aus einem ausgedienten Fässchen. Oder ein ebenso skurriles Insekt, das mit seinen dünnen Beinchen an Kafkas Gregor Samsa in der berühmten Erzählung "Die Verwandlung" erinnert.
"Ich kann nichts anderes", sagt der bescheidene Künstler beim Eröffnungsempfang über sich selbst. Wie von einer geheimnisvollen Macht geschickt kommt eine Frau mit einer geschlossenen Wasserflasche vorbei, die sie nicht aufbringt. Hegler schraubt der Verschluss mühelos ab. "Sehen Sie, Sie können doch was anderes", sagt die Frau.
Mit der Beschaffung seiner Werkmaterialien ist es heute nicht mehr so einfach wie früher, erzählt der 60-Jährige. Früher ging er auf Schrottplätze und suchte zusammen, was er brauchte. Doch heute wird das oft achtlos entsorgte - vor allem wenn es aus Metall ist - recycelt und ist dadurch doch wieder ein Wertstoff, den man nicht einfach mitnehmen darf. So kauft Hegler jetzt sein Material oder lässt es sich schenken.
Setzt ein Umdenken ein?
Auf dieses gesellschaftliche Umdenken, einen Umbruch beim Verhalten gegenüber dem vermeintlich Wertlosen oder zumindest eine Diskussion darüber ging Bürgermeister Thorsten Wozniak bei der Eröffnung ein. Wegwerfgesellschaft und Nachhaltigkeit seinen die Schlagworte, die sich gegenüberstehen. Auch in der Fair-Trade-Stadt Gerolzhofen stelle man sich die Frage "Wo beziehungsweise von wo, wie viel, warum, was konsumieren wir?" In seinen Kunstwerken thematisiere Clemens Hegler immer wieder die Auseinandersetzung mit dem Weggeworfenen und dem scheinbar Unbrauchbaren.
Wozniak freute sich, dass nach vielen Jahren des Dialogs nun eine Hegler-Ausstellung nach Gerolzhofen gekommen ist. Wie am Rande zu hören war, ist sie auf Vermittlung des Kulturforums Gerolzhofen zustande gekommen.
Heglers Spuren in der Stadt
Der Bürgermeister verwies auch auf die Spuren, die Hegler bereits in der Stadt hinterlassen hat, so am Kiosk oder seit Kurzem das Koffer-Denkmal in der Marktstraße, das auf die Deportation der letzten Mitglieder aus der jüdischen Gemeinde in Gerolzhofen durch die Nationalsozialisten hinweist.
Für eine ansprechende musikalische Begleitung der Eröffnung sorgten Franziska Rößner und Peter Preinesberger aus der Klasse von Roland Eckert an der Musikschule Schweinfurt/Gerolzhofen.
Die Ausstellung ist bis zum 4. August jeweils zu den Öffnungszeiten der Tourist-Information im Alten Rathaus zu sehen.