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SCHWEINFURT
Kulturwerkstatt: Der Primelnazi pfriemelt gleich nebenan
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 02.01.2015 16:59 Uhr

„Nein, es ist nicht die Mutti“: Erik Lehmann muss seinem Schweinfurter Publikum widersprechen, in der Kulturwerkstatt. Längerfristig sorgt nicht die Mama für unseren Erfolg im Leben. Den Schlüssel dazu besitzen natürlich nur wir selbst.

Das weiß Lehmann, in der Rolle eines windschnittigen Motivationstrainers im feinen Zwirn. „Positive Coaching“ nennt sich das Erfolgsrezept. Dank kollektiven Händchenhaltens soll sie in den Saal ausströmen, die kosmische Intelligenz. Nur blöd, wenn sich die Stimmung des Coachs selber zunehmend verdüstert. Auf dem Höhepunkt der Beglückungs-Übung ruft dann auch noch Mutti an, per Handy.

„Herr Lehmann wünscht: Gute Besserung“ nennt sich das aktuelle Soloprogramm des aus Zwickaustammenden Sachsen. Kein Unbekannter am Main, wo er sich schon als „Letzter Lemming“ auf die Gutermann-Promenade gestürzt hat. Mit 30 Jahren einer der Jungen auf der Bühne, gerade mit dem Melsunger Kabarettpreis geehrt. Der kleine Mann dreht hohl im Glückskollektiv, das darf aber keiner mitkriegen: Bei der „Dresdner Herkuleskeule“, dem Gegenstück der Lach- und Schießgesellschaft in der gutbewachten DDR, war das die Grundstimmung. Jetzt schwingen dort junge Kabarett-Pioniere wie Lehmann den Knüppel, im neuen, glücklich vereinten Komplett-Deutschland.

Beim schrägen Typenkabarett sprechen Anti-Helden in allen Zungen: Wir befinden uns im Warteraum einer gut gefüllten Arztpraxis. Behandelt wird irgendwie das ganze Land, das am miefigen Pegidawahn (Ost) ebenso darbt wie am eiskalten Turbo-Kapitalismus (Marke West). Es steigt ein vorgezogenes Silvesterfeuerwerk skurriler Pointen. Die gleiten, gerade in der ersten Hälfte, auch mal auf längeren, glatten Wegen daher, wie draußen die Autos. Dafür wird der Spaß nach der Pause umso heimeliger.

„Ich habe nichts gelernt. Aber mir geht's besser.“
Fazit des Berichterstatters nach einem Abend mit Lehmann

Es fehlt nicht an boshaften, bizarren Einfällen: Ein U-Boot, für Griechenland, steht plötzlich bei Aldi zum Verkauf. In einem Jobcenter werden gleich zwei Arbeitsplätze geschaffen, als ein Langzeit-Arbeitsloser eine Mitarbeiterin meuchelt: Er schafft jetzt im Knast, ihre Stelle wurde ebenfalls frei. „Ja, ich bin für Integration“, sächselt der Spießbürger am Gartenzaun, „aber nicht in unmittelbarer Nachbarschaft.“ Da hat sich nämlich ein Blumenzüchter aus Somalia eingenistet, der mit Regentanz und Trommelgruppe (aus deutschen Hausfrauen) gegen die Dürre kämpft: Heraus kommt wieder mal eine Mega-Flut im Osten. Merke: „Der tolerante deutsche Kleingärtner ist mittlerweile der Neger im eigenen Land“. Im Kampf um die geistige Lufthoheit überm Blumenbeet sieht sich der Nachbar am Ende als „Primelnazi von nebenan“ diffamiert. Dabei geht es dem „Üwe“ nur um die Einhaltung ewiger Schrebergarten-Gesetze, aber eben auch durch Asylanten. Liebe syrische Assad-Gegner, bitte nicht erschrecken, wenn hierzulande der spanischen Wanderschnecke mit chemischen Waffen zu Leibe gerückt wird.

Ein ölig-adrett östreichelnder Experte macht sich so seine Gedanken um den „Restwert von Opi“. Lohnt sich dessen Weiterleben noch oder wird eine medizinische Behandlung teurer als der von ihm noch zu erwartende Konsum, Motto „Kannst du kaufen, darfst du leben“? Inspiriert ist der Ösi-Schmäh vom realen Konstanzer Ökonomen Friedrich Breyer, mit kühlen Gedanken über „gerechte Gesundheit“.

Stoiber von der CSU-CSU stammelt, ein original erzgebirgischer Weihnachtslobbyist rettet das Festtagsbrauchtum. Nicht zuletzt die Interaktion mit Uschi, Anna und Thomas im Publikum sorgt für Vergnügen. Am Ende eines frischen, flotten Kleinkunst-Abends darf der Besucher frohgemut nach Hause schlittern, mit der Erkenntnis: „Jawoll, ich habe nichts gelernt. Aber mir geht's besser.“

 
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