Stell' Dir vor, es ist Oper, und (fast) keiner geht hin. Ein Phänomen das jetzt bei der fünften Veranstaltung des "Kultursommer Schweinfurt" zu beobachten war. Auf den Plakaten, mit denen die Veranstaltungen angekündigt werden, prangt zwar der Slogan "Die Kultur kehrt zurück", bei der jüngsten Veranstaltung auf dem staubtrockenen Kessler Field war davon allerdings wenig zu spüren. Und das ausgerechnet bei Giachino Rossinis "Barbier von Sevilla", einer der populärsten und mitreißensten italienischen Opern der Musikgeschichte.
Gerade einmal gut 50 Zuschauer hatten den Weg an den Stadtrand Schweinfurts gefunden, eine nüchterne Kulisse für das Würzburger Kammerorchester und seine Solisten. Ziemlich ratlos zeigte sich auch Kulturamtsleiterin Andrea Brandl, die im Rahmen des Förderprojektes "Neustart 2 - Theater in Bewegung" der Bundesregierung das Projekt angestoßen hatte, um in den Genuss von Subventionen zu kommen.
50 Prozent der Kosten an Gagen, Technik und Bühne wurden aus dem Fördertopf des "Bundesministeriums für Kultur und Medien" erstattet. "Es ist bitter", kommentierte Brandl die Situation, zumal im Vorfeld 15.000 Flyer im Umland verteilt worden waren, ergänzt von 5000 Plakaten. Und weiter: "Fehlt hier vielleicht das Alleinstellungsmerkmal?"
Das mag sein, zumal der "Barbier" bereits in einer weiteren Vorstellung im Würzburger Festungsgraben und am Abend zuvor in Ochsenfurt aufgeführt worden war. In Ochsenfurt hatten dann zumindest knapp 300 Zuhörer den Weg ins Konzert der Würzburger gefunden. Allerdings wurde dort die Vermarktung der Karten von der "Interkommunalen Allianz Main Dreieck" übernommen, in der sich zwölf Gemeinden zusammengeschlossen haben. Für Schweinfurt ein problematisches Umfeld, das dann am Konzertabend noch getreu ""Murphys Law" (wenn irgendetwas einmal schief gehen kann, dann geht es auch schief) getoppt wurde.
Ein Freigetränk für alle
Während in Presse, Homepage, Flyer und Programm ein Aufführungsbeginn um 19 Uhr angekündigt worden war, wurden die Eintrittskarten des Abends mit dem Aufdruck "Vorstellungsbeginn 20 Uhr" verkauft. Kurz vor 19 Uhr saß dann gerade einmal eine Handvoll Opernfreunde vor der Bühne. Der Rest trudelte nach und nach ein. Ratlosigkeit bei Publikum, Orchester und Solisten.
Letztlich wurde das Problem vom neuen Schweinfurter Intendanten Christof Wahlefeld gelöst, der kurzerhand auf die Bühne stieg, den Vorstellungsbeginn auf 19.30 Uhr festlegte und jeden Zuschauer auf ein Getränk in der Pause einlud. Um es vorwegzunehmen, es war ein ganz unterhaltsamer, musikalisch und sängerisch solider Abend.
Sechs Solisten und das Würzburger Kammerorchester unter der Leitung von Wolfgang Kurz präsentierten einen komplett entkernten "Barbier" ohne Chor- oder große Ensembleszenen, rein konzentriert auf die berühmtesten Arien, Duette und Terzette. Die einzelnen Handlungsstränge wurden vom Dirigenten erzählt und miteinander verknüpft. Das war den Würzburgern bereits im vergangenen Jahr mit Mozarts "Don Giovanni" gelungen, bei Rossini diesmal zündete der Abend aber nur begrenzt.
Der "Barbier" lebt nicht nur von seinen unzähligen zündenden Melodien und musikalischen Gassenhauern, sondern im Besonderen vom grotesken Humor der Handlung. Um dieser Groteske gerecht zu werden, brauchst Du eine flotte Inszenierung, Regieanweisungen und Szenenbilder. Rein konzertant und rein auf wichtige Schlüsselszenen beschränkt, wird das schwer. Was bleibt ist dann, einem Brennglas gleich, einzig der Blick auf die musikalische Leistung von Orchester und Solisten.
Daniel Fiolka als Figaro brachte zumindest etwas Bewegung in die konzertante Aufführung, in dem er seine weltberühmte Auftrittsarie "Largo al Faktotum" aus dem Publikum heraus startete, von dort auf Bühne kletternd – ein kerniger Bariton mit Spielfreunde an der Rolle. Mit Mio Nakamune hatte man die Rolle der Rosina (wieder mal) mit einer Sopranistin besetzt (Rossini hat die Rolle ursprünglich für einen Mezzosopran geschrieben) – saubere Koloraturen, stimmlich etwas zurückhaltend.
Yuji Zhang gab dem Grafen Almaviva tenoral lyrische Höhe, Rachel Alonso überzeugte als Dienerin Berta. Die Überraschungen des Abends aber waren Jakob Ewert als Bartolo und Gustavo Müller als Basilio, zwei rabenschwarze Bass-Baritone mit Volumen und Durchschlagskraft in der Höhe. Das Würzburger Kammerorchester und der Leitung von Wolfgang Kurz begleitete routiniert und intonationssicher. Eine etwas weniger ausschweifende Moderation wäre schön gewesen.
Am Ende gab es rhythmisches Klatschen der halben Hundertschaft, bevor man sich bei 14 Grad, kurz nach 22 Uhr, auf einen Glühwein nach Hause verabschiedete.
Die Stadt/Veranstalter sollte doch mal die Art der Veranstaltungen überprüfen....