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Schweinfurt
Kultursommer Schweinfurt: Eine allzu brave kubanische Nacht
Das Ballettensemble des Landestheaters Coburg startete mit 'Ayi, mama Ines' in den kühlen Sommerabend.
Foto: Martina Müller | Das Ballettensemble des Landestheaters Coburg startete mit "Ayi, mama Ines" in den kühlen Sommerabend.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 14.07.2022 02:41 Uhr

Etwa 400 Freunde des Balletts hatten sich für Freitagabend etwas Besonderes vorgenommen: den Besuch einer Revue des Landestheaters Coburg mit dem viel versprechenden Titel "Noches cubanas". Da wollte man dabei sein, bei diesen exotischen kubanischen Nächten auf dem Kessler-Field.

Das musste ja auch ein ganz ausgefallenes Event sein, so war es jedenfalls von den Coburger Theatermachern angekündigt: "Eine Ballettrevue, die mit überbordender Energie die Tanzfläche zum Glühen bringt. Ein Fest für alle – wild, kraftvoll und leidenschaftlich."

Doch leider wurde das Schweinfurter Publikum mit einer wenig inspirierten Ballettproduktion konfrontiert. Von Revue keine Spur. Es reicht wirklich nicht, 20 südamerikanische Schlager nacheinander abzuspulen und danach zu tanzen. Ohne Pause, ohne Zusammenhang, ohne eine gewisse Handlung. Auch fehlte eine gekonnte Lichtregie, sie hätte dem Abend und der tristen Bühne zumindest ein farbiges Flair geben können.

Noches Cubanas.
Foto: Martina Müller | Noches Cubanas.

Und wo war die extra erwähnte Regie? Was hätte etwa ein "Erzähler" am Bühnenrand nicht alles zu berichten gehabt, was für eine gewisse Gliederung des Programms, für Abwechslung, für Spannung und Neugier gesorgt hätte: Dass alle großen Tänze Lateinamerikas wie Mambo, Rumba, Cha-Cha-Cha, Son und Salsa ihre Wurzeln auf Kuba haben. Und dass das auch für den Latin-Rock eines Carlos Santana gilt. Er hätte von der Habanera erzählen können, den dem Tango verwandten langsamen Tanz aus Havanna. Und dass Georges Bizet der Habanera in einer gleichnamigen Arie seiner Oper "Carmen" ein ewiges Denkmal gesetzt hat.

Der Erzähler hätte von Peréz Prado, dem "König des Mambo", sprechen können. Von ihm stammten die meisten Titel des Abends, die von mehrstimmigen hohen Trompeten- und weichen Saxophonsätzen gekennzeichnet sind. Vom kubanischen Sänger Ibrahim Ferrer wäre zu berichten, der als fast 70-Jähriger Mitglied des legendären "Buena Vista Social Club" wurde. Der sorgte durch  den gleichnamigen Dokumentarfilm von Wim Wenders und seine Tourneen und CDs für ein gigantisches weltweites Revival kubanischer Tanzmusik.

Klassisches Ballett trifft Mambo

Der Abend begann mit "Ayi, mama Inés", interpretiert von der jungen kubanischen Jazzpianistin Marialy Pachedo und Orchester. Die Vielschichtigkeit und die Tempowechsel der Komposition animierten die neun Tänzerinnen und Tänzer zu einem belebenden Mix aus Latin, klassischem Tanz und Jazz. Choreograf Mark McClain gelingt es nicht nur hier, Elemente und Ausdrucksformen des klassischen Balletts mit den Schrittfolgen und Bewegungen der eher "hemdsärmeligen" lateinamerikanischen Tänze zu verbinden.

"Pianola" von Peréz Prado ist ein Pas de Deux voller Zärtlichkeit, in Prados "Mambo No. 8" überzeugt ein Herrenquartett mit seiner Sprungkraft. In "Perdido" verdreht eine stolze Tänzerin ihren Verehrern die Augen, spielt die Unnahbare. Ibrahim Ferrer singt mit seiner leicht heiseren Stimme "Aquellos ojos verdes" zu einem klassischen Pas de deux. Und in "Perfidia" verlässt ein Mann seinen Lover – fünf leichtfüßige Tänzerinnen kontrastieren fröhlich diese doch eher traurige Geschichte.

Tänzerinnen und Statistinnen sorgten im Hintergrund für Bar-Atmosphäre.
Foto: Martina Müller | Tänzerinnen und Statistinnen sorgten im Hintergrund für Bar-Atmosphäre.

Das sind einige Punkte, die angenehm auffallen. Aber das alles wird brav und bieder serviert, die versprochene Passion, der Elan und das Feuer fehlen. Wo wird das verführerische Element heißblütiger Musik und Tänzer umgesetzt? Das Publikum ist zum großen Teil enttäuscht und verstimmt, zumal es die Coburger Ankündigungen (wild, kraftvoll, leidenschaftlich, überbordende Energie, mitreißende Lebensfreude) für bare Münze genommen hatte.

Mit dem moderat-höflichen Schlussapplaus danken die Zuschauer den jungen Tänzerinnen und Tänzern für ihre guten Leistungen, aber auch für ihr sichtbares Bemühen, den Abend zu einem gewissen Erfolg werden zu lassen. Zu Beginn hatte Schweinfurts neuer Intendant Christof Wahlefeld das Publikum begrüßt. Er lud zu den nächsten Vorstellungen des Kultursommers ein, die für jeden etwas bieten würden. Dann möchte er noch eine Info loswerden: "Am 21. Oktober ist Theater-Saisonbeginn 2022/23 im Evangelischen Gemeindehaus" – Schweinfurts große Theatergemeinde freut sich darauf.

Der Sommerabend war temperaturtechnisch leider wenig karibisch.
Foto: Martina Müller | Der Sommerabend war temperaturtechnisch leider wenig karibisch.
 
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