Moderatorin Erna Rauscher betätigte sich bei der KulturPa(c)kt-Gala sozusagen als "Barkeeperin". Schließlich hatte Mitgastgeber Ingo Schäfer zur Begrüßung "einen Cocktail aus Musik, Poesie und Marionettentheater" versprochen. Seit 1993 lädt die Schweinfurter Kulturszene zu ihrem Jahresabschluss ein. 2019 ging es, in der altehrwürdigen Rathausdiele, ein wenig "konzertanter" zu als sonst, was an krankheitsbedingten Ausfällen lag: Musiker Mad Bob und die kurdische Folklore-Tanzgruppe "Koma Carpel" mussten kurzfristig absagen.
Nach einem bewegten Jahr durften die rund 200 Besucher alles ein bisschen ruhiger angehen. KulturPackt-Sprecher Schäfer mahnte, das "selbstbestimmte Leben" unserer Zeit zu schätzen – wohl mit Blick auf aktuelle Verwirrungen in der Gesellschaftspolitik.
Auch ein Forum für junge Künstler
Nicht zuletzt bekommt am Vorabend von Silvester die nächste Generation Stimme und Gesicht: An die Gala als Forum für junge Künstler erinnerte Bürgermeister Karl-Heinz Kauczok, der den Dank der Stadt dabei hatte. Die Verantwortlichen des KulturPackts, rund um Geschäftsführer Gerald J. Günther, haben im Dienst der Stadtkultur tatsächlich wieder einiges bewegt – nicht nur das schwere Klavier vor der Bühne. Alle Künstler traten zudem ohne Gage an.
Pianistin Zeynep Ersoy begann unter anderem mit "Barcarole", einem romantischen Gondellied: Die 19 Jahre junge Schweinfurterin türkischer Abstammung interpretierte den "Juni", aus Tschaikowskys Jahreszeiten, mit viel Fingerspitzengefühl. Ungewohnte Töne hatte HippHopper Merlin Sachs zu bieten, der mit "Fischerhut & Autotune" gerade sein erstes Album herausgebracht hat.
In den Tracks geht es augenzwinkernd um die Ex, die ihm die Schildkröte geklaut hat (dabei hat die Schilddrüsen-Probleme). Aber auch um die Liebe – nicht zuletzt die Liebe zu Schweinfurt als naheliegende, zumindest näherliegende Alternative zu Berlin. Nicht ganz bierernst nehmen sich auch die "Disharmoniker", als Haus- und Hofchor der Kulturwerkstatt: Dynamisch und pantomimisch wurden die beiden Esel besungen, die am Ende sogar noch zu dumm sind zum Sterben, frei nach Morgenstern.
Friedrich Rückert war natürlich auch dabei
Zuvor hatte Theodor Spannagel ("Araroo ariraoo") ein tamilisches Wiegenlied dirigiert. Zwischendurch verfielen der Chor in die Sprache der Yoruba aus Westafrika: mit Dank für Himmel, Erde und deren Geschenke. Der preisgekrönte Jazz-Pianist und Musikstudent Jan-Peter Itze (geboren 1998) entlockte dem Flügel moderne Klänge. "Du bist die Ruh, der Friede mild, die Sehnsucht du, und was sie stillt" – Dichter Friedrich Rückert wandelte sich zum Chansonier, dank des Würzburger Heilpraktikers und Gitarristen Andreas Arnold, der an die hundert Gedichte des Altmeisters vertont hat. Zu hören war ein sanfter Rückert, im Zwiegespräch mit dem Wald, aber auch seinen früh verstorbenen Kindern.
Nach der Pause mit Stärkung ein Stockwerk höher verzauberte Puppenspieler Hakan Arisoy das Publikum – eine fulminante Premiere: "Der rote Ballon" nennt sich sein Marionettentheater, das überhaupt nicht hölzern daherkam und die Puppen tanzen ließ. Die Schweinfurter Geschwister Pinocchios erwachten auf der Bühne zum Leben. Michael Jackson schritt zum Moonwalk. Ein Mädchen blies einen roten Luftballon auf und flog davon, weinte, als ihr schöner Traum zerplatzte und wurde von echten Kindern getröstet. Sogar Feuer wurde gespuckt, beim großartigen Hingucker des Abends.
Nicht an Fäden, sondern Saiten zupfte der junge, erfolgreiche Harfenist Sandro Ortloff: Mit barockem Silberklang von Bach und weiteren Klassikern, etwa von Marcel Tournier – alles im Achtfingersystem. Zum Finale betrat Lena Sophie (Mohr) das Scheinwerferlicht, begleitet von Jonas Weinfurtner am Klavier. Die beiden 26 Jahre alten, gebürtigen Schweinfurter haben an der Pop-Akademie Mannheim studiert.
Lieder über Achtsamkeit und Toleranz
"Mitmenschlichkeit, Achtsamkeit und Toleranz", darum geht es in den (teils selbst geschriebenen, teils gecoverten) Songs des Duos. Aber auch um das Unverbindliche in menschlichen Beziehungen, mit dem sich ihre Generation auseinandersetzen muss: obwohl oder gerade weil sie global vernetzt ist. Die Musiker befassten sich unter anderem mit dem "Iron Sky", den Eisernen Himmel. Sangesstark war "Rise Up", ein R'n'B-Song der schwarzen Sängerin Andra Day, rund ums Thema Gleichberechtigung. Willkommen in den "Roaring Twenties", den stürmischen Zwanzigern.